Frauenbilder in der spanischen Novellistik des Siglo de Oro
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Was bewegen Frauen, die sich offiziell nicht bewegen dürfen, in den Novellen eines Cervantes (1613), Lugo (1622), Céspedes (1623) und einer Zayas (1637/47)? Wie vielschichtig sind in ihren Geschichten die Frauenbilder, wie verhält sich der zwischen Bild und Betrachter vermittelnde narrative Rahmen und wie sind die Bilder in den Räumen der fiktiven Welt positioniert? Reflektieren sie das von den Traktaten geforderte Ideal oder durchbrechen sie die Monochromie mit farbiger Originalität? Ziehen sie die Aufmerksamkeit sofort auf sich oder stehen sie abseits am Rand? Und warum sind Novellen beim weiblichen Publikum so beliebt? Weil sie der Frau erlauben, außerordentlich zu sein? Wie groß ist der Spielraum der Frau wirklich, wenn auch die Novellen unter dem Auge des Zensors am Ende wieder Ordnung schaffen und ihr Spielobjekt wegschließen müssen? In den Frauenbildern spiegelt sich die Aufgeschlossenheit einer Gesellschaft, sie verraten viel über das herrschende Weltbild. Nach einem Blick auf zeitgenössische Traktate zur Mädchenerziehung spürt die Arbeit mit Lotman und Bachtin der Bewegung und Rede von bzw. über Frauen in Texten aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach und stellt fest, daß die untersuchten Novellen Ereignisse inszenieren und mit einer Sanktion tilgen; die Ereignislosigkeit der Geschichten bleibt jedoch nicht ohne Resonanz, lediglich die Bereitschaft, dem Dialog Raum zu geben, differiert bei den einzelnen Autoren. Die transgressive Qualität der Novelle, die Cervantes reizt, die Probe aufs Exempel zu machen, mit der Frau in verschiedenen Räumen zu experimentieren und damit bestehende Fixierungen aufzuweichen und die Zayas bewußt einsetzt, um den Frauen neue Räume zu erschließen, wird von den in Cervantes’ Nachfolge Schreibenden verspielt. Es entstehen Fließbandnovellen im Baukastenprinzip, denen nicht mehr daran gelegen ist, Sicherheiten das Fundament zu entziehen und damit das kritische Bewußtsein des Lesers zu schärfen, sondern es mit abenteuerlichen Schauplatzwechseln abzulenken und in einer trügerischen Sicherheit zu wiegen.