Genie und Wahrheit
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„Der Schöpfer der Welt ein Schriftsteller!“ Mit diesem Postulat Johann Georg Hamanns wird die göttliche Offenbarungsrede selbst zum Ursprung der Poesie. Verkörpert bei Hamann das Genie als Prophet ein Antwortendes Schöpfertum, wird der Mensch in Johann Gottfried Herders Schöpfungsästhetik zum vergöttlichten Mitschöpfer in Analogie zum göttlichen , Urkünstler'. Bei Goethe gipfelt diese Entwicklung in einer Schöpferästhetik, in der das sich im Schaffensakt selbst zum gottgleichen Schöpfer deifizierende Genie zum Stifter einer eigenen , Kunstreligion' wird, womit sich auch der ursprünglich religiöse Wahrheitsanspruch an das Individuum bindet. Die vorliegende Studie will zeigen, dass selbst der Schaffensakt des sich selbst vergöttlichenden Genies bei Goethe, dessen Autonomie am vehementesten behauptet wird, nicht als autonom bezeichnet werden kann. In der Usurpation göttlicher Schöpferkraft bezieht sich das Goethesche Genie auf den Schöpfergott und steht in der Tradition einer Vervollkommnung des Menschen, in der Hamann und Herder ihm vorausgehen und die sich hier der Vollkommenheit Gottes selbst annähert. Unter Berücksichtigung der theologischen und hermetischen Traditionen soll die Entwicklung des Geniegedankens aus einer Ästhetisierung der Theologie bei Hamann hin zu einer Theologisierung des Ästhetischen bei Goethe aufgezeigt werden.