Die Entdeckung der Körperlichkeit in den "Essais" Michel de Montaignes
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Das Imaginaire des Körpers - die in einem frühneuzeitlichen europäischen Wandlungsprozess wurzelnde Erforschung seiner Wirklichkeit und Symbolik - ist Ausgangspunkt einer in den 1990er Jahren von einer jüngeren, historisch orientierten Sozial- und Kulturanthropologie begründeten Körpermetaphorikdebatte, die sich mit dem im literarischen Text materialisierten Körper und dessen Sinneswahrnehmungen beschäftigt. Vor diesem Hintergrund reiht sich die Untersuchung ein in die mediävistische Forschungsdiskussion um den Begriff der Körperlichkeit im Werk Michel de Montaignes. Dabei beschäftigt sie sich mit der Entwicklung seines Körperdenkens. Obgleich der Schwerpunkt der Untersuchung auf Montaignes „Essais“ liegt, wurden auch relevante Teile des „Journal de Voyage“ integriert. Kultur- und mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen zu Medizin und Tod dienen als Überleitung zum diagnostischen Blick Montaignes im Rahmen seiner persönlichen Krankheits- und Todesreflexion. Auf der Basis des menschlichen Körpers und seiner Funktionen wird im Anschluss das ambivalente Konzept von leibgeistiger Gesundheit und dissonantem Körper erarbeitet. Die Untersuchung der Montaigneschen „rhétorique du corps“ macht daraufhin deutlich, dass sich die Polarität von Gesundheit und Krankheit auch auf des Autors Bild der menschlichen Sprache übertragen lässt. Im organischen Charakter seines Diskurses wird zuletzt die Affinität des Körperparadigmas zum Begriffsbereich des Grotesken deutlich. Hierbei geht die Studie der bislang unbeantwortet gebliebenen Frage nach dem Verhältnis von Körperlichkeit und Groteske im Werk Montaignes nach. Eine ästhetik- und begriffsgeschichtliche Perspektivierung der literarischen Groteske basiert auf den programmatischen Untersuchungen der grotesken Antagonisten Wolfgang Kayser und Michael Bachtin. Dabei mündet Bachtins Theorie des grotesken Realismus bei Montaigne in eine literarische Postgroteske. Diese leitet über auf den letzten Punkt der Studie, der sich, in Form eines Ausblicks an den Forschungsstand anknüpfend, mit der Polarität eines -Innen- und -Außen- als Zusammenspiel von körperlichem und sprachlichem Diskurs beschäftigt. Das Subjekt Montaigne erscheint hier konsubstantiell zu seinem Werk; die zunehmende metaphorische (Körper-)Einheit von Autor und Text wiederum lässt auf eine könästhetische Selbstwahrnehmung des Körpers schließen.