Überpositives Recht als Prüfungsmaßstab im Geltungsbereich des Grundgesetzes?
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Nachdem die zweite Welle der Aufarbeitung von Systemunrecht zur Ruhe gekommen und nahezu Geschichte geworden ist, wirkt die Frage nach der Maßstäblichkeit des überpositiven Rechts im Geltungsbereich des Grundgesetzes auf den ersten Blick ein wenig obsolet. Eine (neue) Ausnahmesituation, in der wie üblich das Tor zum Überpositiven geöffnet werden könnte, zeichnet sich schließlich nicht ab. Ein zweiter Blick auf die sich aus Anlass der justiziellen Bewältigung des NS-Unrechts und des (vergleichsweise milder zu beurteilenden) DDR-Unrechts kreuzenden naturrechtsfreundlichen und naturrechtskritischen Diskurse und auf die in diesem Kontext stets implizit oder explizit mobilisierte Radbruchsche Formel zeigt jedoch, dass die Frage nach der Vereinbarkeit des überpositiven Rechts mit fundamentalen Legitimations- und Organisationsprinzipien des geltenden Verfassungsrechts überwiegend ausgeblendet wird. Mit seiner dezidiert verfassungsrechtlichen Fragestellung und einer mit dieser korrespondierenden verfassungsnormativen Argumentation rückt Hubertus Dieckmann bekannte Diskurse in ein neues Licht. Er würdigt die Heranziehung überpositiven Rechts in der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur konsequent am Maßstab des Grundgesetzes - und kritisiert diese vor allem an den in der Diskussion bisher weitgehend vernachlässigten Grundsatznormen von Volkssouveränität, (grundgesetzlich positivierter) Gerechtigkeit und Vorrang der Verfassung sowie an der grundgesetzlichen Gewaltenteilungs- und Kompetenzordnung.