Kapitalverflechtung und Kapitalkonzentration
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Mit dieser Untersuchung legt Ivo Scheike eine in dieser Komplexität bisher nicht erreichte empirische Verflechtungsanalyse eines Kernstücks des deutschen Finanzsektors vor. Sie basiert auf der von Gerhard Huber entwickelten Verflechtungsrechnung, einem System linearer Gleichungen, das die Berechnung der definitiven Strukturen von Eigentum und Beteiligungen, von Verfügung und Erträgen der Firmen, Kapitale und Letzten Eigner erlaubt. Seine Ausgangsfrage ist von täuschender Einfachheit: Was gehört den 126 deutschen Lebensversicherungsfirmen und wem gehören sie ihrerseits in letzter Instanz? Zur Beantwortung muss das riesige Netzwerk von fast 17.000 miteinander durch Kapitalbeteiligungen verbundenen Firmen genau erfasst und vollständig konsolidiert werden. Dann wird sichtbar, dass rd. zwei Drittel der zusammenhängenden Firmen hundertprozentige Tochterfirmen des anderen Drittels sind, also keine eigenständigen Kapitale darstellen. Es wird sichtbar, dass die definitiven Beteiligungen mehr als 1,3 Millionen betragen, und schließlich, dass die bekannten Letzten Eigner einen Personenkreis von knapp 6.000 ausmachen. Während sich bisherige Untersuchungen entweder auf den klassischen Firmenbegriff stützen oder Konzernstrukturen bzw. Unternehmensgruppen oder gar „Kapitalfraktionen“ zum Gegenstand haben, geht die Analyse eines solchen Netzwerkes weit darüber hinaus. Es schließt neben den Firmen der Lebensversicherer praktisch alle Großbanken sowie zahlreiche Firmen des Finanzsektors ein. Das zweite Novum der Arbeit besteht darin, dass - anders als bei den Vorgängerarbeiten - nicht nur die Koeffizienten der Verflechtung bestimmt werden, sondern auch die absoluten Kapitalbeträge. Das ermöglicht die Berechnung der Kapitalkonzentration auf Kapitale als der eigentlichen ökonomischen Substanz hinter der juristischen „Fassade“ der Unternehmen. In diesem Zusammenhang bestätigt diese Untersuchung die zugrundeliegende Hypothese, dass Kapitalverflechtungen die Konzentration wirtschaftlicher Größen nicht automatisch verstärken müssen, sondern umgekehrt: erheblich absenken können. Dieses wichtige Ergebnis widerlegt nicht nur die immer wieder aufgetischte These von der Unausweichlichkeit der Kapitalzentralisation, es verdeutlicht auch und vor allem, dass empirisch adäquate und verlässliche Aussagen über wirtschaftliche Strukturzusammenhänge sich heute kaum mehr treffen lassen, wenn man sich nur auf einzelne Märkte oder Branchen bezieht. Das gilt für die Stromgrößen der Erträge und Steuern ebenso wie für die Bestandsgrößen der Kapitale und Vermögen.