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VORWORT AUS der frühen Jugendzeit Schopenhauers besitzen wir eine Reihe von Tagebüchern und Briefen, die alle auf gleichen Ton gestimmt sind: er sieht überall das Traurige und Häßliche der Welt, er sieht die Leiden der Menschen, er sieht das Kleine, das so leicht dem Menschlichen anhaftet. Wo er es sieht, da vermag er mit seiner Meinung nicht zurückzuhalten. Ein Spottgedicht über den Lehrer bringt ihm frühen Ärger; aus den Briefen seiner Mutter sehen wir, wie er es liebte, über Menschen und Dinge zu lamentieren, so der lebenslustigen Frau und seiner Umgebung lästig werdend. Er ist diese Anschauungen über Menschen, ihre Art, ihren Wert und ihr Glück niemals völlig losgeworden. Den jungen Schopenhauer trieb es oft genug in die Geselligkeit. Man würde sich sehr täuschen, wenn man sich ihn als einsamen Griesgram vorstellte, der scheu, jammernd, nur arbeitend in seinem Zimmer saß. Im Gegenteil: wie er in Weimar sehr wohl in den Kreisen der jungen Damen verkehrte, wie er später in Dresden regelmäßig seinen "Stammtisch" besuchte, wie er in Rom mit der deutschen Künstlerkolonie umging, ist uns deutlich genug von seinen Bekannten geschildert. Überall aber wurde er im Umgang, besonders wo eine größere Zahl von Menschen zusammen war, schnell unbeliebt. Er scheute sich nicht, in jedem Moment, unbehindert von jeder Rücksicht, alles frei herauszusagen, und seine Meinung wich dann von der anderer nicht nur inhaltlich stets ab, sie wurde noch dazu in ganz dogmatischer, scharfer, oft höhnischer Weise geäußert. Er suchte im Umgang eben nichts weiter als eine Fortsetzung dessen, was ihn innerlich beschäftigte, und das waren stets hohe, geistige Probleme ganz allein. Alle die kleinen Freuden der Geselligkeit, die Behaglichkeit des Gemütlichen und Gemütvollen spielten in seinem Verkehr keine Rolle: er suchte Geist und nur Geist. Darin war er seiner sonst ihm so fremden Mutter verwandt; nur daß es ihr lag, den Geist in spielender Form zu geben und zu genießen, während der Sohn stets das Logische imd _ besonders das Ethische in strengster Form bevorzugte. So war er zu geselligem Verkehr in größerem Kreise nicht geschafifen; dazu besaß er nicht die nötige Anpassung. Wer aber mit der Begabung eines Schopenhauer, mit der Größe und Schärfe seines Geistes auf die Suche nach gleichwertigem Geist ausgeht, wer Menschen zum Austausch gleichwertiger Gedanken sucht, dem muß es schließlich gehen wie dem Diogenes, der mit der Laterne umhergeht, um einen Menschen zu suchen, und ihn nicht findet. Die Überlegenheit seines Geistes gegenüber den Menschen des Umgangs leuchtete ihm dann während des Gesprächs, wie beim stillen Nachdenken zu Hause immer mehr ein; und so wurde sein Ton den Bekannten gegenüber notwendig ein herablassender, schließlich, wo es schärfer herging, ein höhnischer; und so kam es, daß bald er sich von ihnen zurückzog, bald sie seinen Umgang mieden. Diese Erfahningen des persönlichen Verkehrs wurden durch seine persönlichen Lebensschicksale bestätigt und verstärkt. Der einzige Mensch, den er in seiner Jugend weit über sich stellte, Goethe, hatte ihm bei persönlicher Begegnung menschlich nicht genügt. Das einzige Mal, wo ihm der Geist des Menschen zugesagt hätte, da schien ihm des Charakters Größe zu versagen. Mit tiefer Niedergeschlagenheit hat er selbst das in schönster und stolzester Form in seinen Briefen an Goethe gesagt. Tief haben auf ihn auch die Erlebnisse in seiner Familie eingewirkt.
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