Frauen in den christlich-orientalischen Kulturen
Beiträge aus einem Intensivseminar der Orientalischen Kirchengeschichte in Göttingen am 16.4.2021
- 120 Seiten
- 5 Lesestunden
Dieser Autor konzentriert sich auf die Theologie und ihre theoretischen Aspekte. Seine Arbeit erforscht tiefere Fragen des Glaubens und des religiösen Denkens. Er befasst sich auch mit den historischen und kulturellen Zusammenhängen von Religion. Sein Ansatz ist akademisch und analytisch.






Beiträge aus einem Intensivseminar der Orientalischen Kirchengeschichte in Göttingen am 16.4.2021
Henry von Heiseler (1875–1925) und seine russische Teilidentität
Sidney Harrison Griffith zum 80. Geburtstag
Immer noch ist das orientalische Christentum ein für westliche Interessenten zu entdeckendes Feld. Die kirchen- und theologiegeschichtlichen Werke verwirren westliche Leser oft allein aufgrund der unausweichlichen Komplexität der Themen. Da mögen biographische Zugänge hilfreich sein, um an ausgewählten Beispielen besser verstehen zu können, wie sich Theologie oder eine historische Situation im Leben ausgewählter Vertreter der christlichen Kulturen des Orients auswirken. Die hier versammelten Beiträge stammen vorrangig aus der Ringvorlesung „Profile des orthodoxen Christentums: Syrien und Ägypten“ und einigen Beiträgen einer inhaltlich verwandten Vorlesungsreihe. Eine Arbeit zu der Wirksamkeit eines Herrnhuter Missionars in Algerien, ein ursprünglich für eine Tübinger Konferenz gedachter Beitrag des mittlerweile leider verstorbenen Kollegen Shahid sowie die Rede des Katholikos der Indischen Orthodoxen Kirche, die in Göttingen verlesen wurde bei der dreitägigen Tagung von Vertretern der Indischen Orthodoxen Kirche und Mitarbeitenden des Instituts für Ökumene und orientalische Kirchen- und Missionsgeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen, wurden zusätzlich in den Band aufgenommen.
Das Verhältnis von Deutschen und Russen wird oft im Kontext von Kriegen und politischen Spannungen thematisiert. Aber eine derartige Sicht trennt auch das, was verbindet. Tatsächlich hat es im Laufe der Jahrhunderte nicht nur wechselseitige starke Migrationsbewegungen gegeben (Deutschland war zunächst eines der bevorzugten Fluchtländer der russischen Flüchtlinge nach der Russischen Revolution, Russland zog zur Zeit der Zarin Katharina deutsche Aussiedler an), sondern immer haben beide Kulturen auch stark aufeinander gewirkt. Am Schicksal der Russlanddeutschen zeigt sich in besonderer Prägnanz Fluch und Segen einer Existenz zwischen den Kulturen. Hier kann der Blick einzelnen Russlanddeutschen (wie dem letzten lutherischen Pastor von Tomsk) oder grundsätzlichen Überlegungen zur Geschichte und zum Selbstverständnis der Russlanddeutschen gelten. Umgekehrt werden Migrantenschicksale deutlich, die gerade deren Situation zwischen den Kulturen zum Teil tragisch verdeutlichen (Henry von Heiseler, Alexander Schmorell), die Wirkung russischer Kultur auf die deutsche erörtert etwa der Aufsatz zur Dostojewskij-Rezeption der dialektischen Theologen, während die studentische Arbeit zu Dostojewskijs Gotteslästerungsthematik im Großinquisitor ein Stück heutiger Rezeption bietet. Die Schlagwörter Märtyrer und Migranten belegen die gegenwärtig die Gesellschaften in Deutschland und Russland unterschiedlich bewegenden Tendenzen öffentlicher bzw. kultureller Diskurse, deren direkte Vergleichbarkeit nicht von vornherein gegeben ist.
Literarische Werke von und über Christen in Ägypten
Mit den Attentaten islamischer Fundamentalisten gegen ägyptische Kopten kam die Christenheit Ägyptens mit einem Mal wieder weltweit in die Schlagzeilen. Koptologen und die Wissenschaft vom christlichen Orient hingegen bemühen sich schon lange um die Erforschung dieser Glaubensgemeinschaft. Martin Tamckes und Heike Behlmers Sammelband nähert sich dem Thema aus einem anderen Blickwinkel: Die Beiträge geben Überblicke zu Werk und Leben koptischer Schriftsteller, spüren den Kopten im modernen Kriminalroman nach, präsentieren koptische Migrationsliteratur und behandeln geschichtliche Aspekte des Faches Koptologie. Daneben stehen Untersuchungen zu Reiseberichten, Werken ausländischer Autoren, die sich mit den Kopten in der einen oder anderen Weise auseinandersetzten, wie beispielsweise Erhart Kästners Buch über seine Kriegsgefangenschaft in der ägyptischen Wüste, aber auch zu den koptischen Bezügen einer äthiopischen Heiligenerzählung und Berichten deutscher Missionare. Die oft ungewohnten Perspektiven machen die Welt der Kopten auf neuem Wege zugänglich und zeigen sie als Teil der ägyptischen Kultur, Literatur- und Migrationsgeschichte sowie der Geschichte europäischer Rezeption koptischer Wirklichkeit und helfen so, unser Bild der Kopten vor Engführungen zu bewahren.
Öffentliche Ringvorlesung Wintersemester 2013/2014
Der Zusammenhang von Armut und Krankheit, bzw. mangelnder Gesundheit, ist immer schon klar ersichtlich gewesen. In einer Vorlesungsreihe stellten Vertreter verschiedener Disziplinen, die sich im Göttingen International Health Network (GIHN) zusammengeschlossen haben, ausgewählte Aspekte vor, die darstellen, wie Armut und Gesundheit miteinander verknüpft sind. Die Fragen, Probleme, Erklärungs- und Interventionsmodelle beziehen sich besonders auf Afrika und Indien und Anrainerstaaten. Mit der Vorlesungsreihe stellten sich die Vertreter der verschiedenen Fächer bewusst einer allgemeineren Öffentlichkeit und bemühten sich, auch komplexe Themen verständlich und doch auf neuestem Stand der Forschung darzustellen.
Einführung in die ostkirchliche Spiritualität
Die Diarien von Cornelius Claussen (1782-83), Gottlob August Roller (1775/1777) und Georg Winiger (1775-1782)
Mit dem vorliegenden Editionsband werden die Bemühungen um die Erschließung der Geschichte der Herrnhuter Brüder in Ägypten fortgeführt. Wie schon der vorausgehende Band zu Dancke (Martin Tamcke, Katja Weiland, Arthur Manukyan , Die Tagebücher Johann Heinrich Danckes aus Behnesse 1770-1772 (= Orthodoxie, Orient und Europa, Bd. 7 / Herrnhuter Quellen zu Ägypten Band 3), Würzburg 2013), so führt auch dieser Band nach Behnesse und erschließt die Aktivitäten der Brüder dort nach der Gründungsphase unter Dancke bis zum Ende der Arbeit am Ort. Die arabischen Briefe mit Bezug auf Behnesse, soweit sie im Herrnhuter Unitätsarchiv erhalten sind, wurden bereits im zweiten Band der Edition veröffentlicht (Martin Tamcke, Arthur Manukyan, Christian Mauder, Die arabischen Briefe aus der Zeit der Herrnhuter Präsenz in Ägypten 1770-1783 (= Orthodoxie, Orient und Europa, Bd. 6 / Herrnhuter Quellen zu Ägypten Band 2), Würzburg 2012), im ersten Band finden sich die nötigen Informationen zum Hintergrund in der zentralen Niederlassung in Kairo (Martin Tamcke, Arthur Manukyan, Herrnhuter in Kairo 1769-1783 (= Orthodoxie, Orient und Europa, Bd. 5 / Herrnhuter Quellen zu Ägypten Band 1), Würzburg 2012). Die Hoffnung, die die Arbeit des Göttinger Institutes und dessen Arbeiten auf diesem und verwandten Gebieten dabei beflügelt, ist, hier nicht nur interessante Episoden der Missionsgeschichte ins Bewusstsein zu heben, sondern damit auch Mosaiksteine zu liefern, die auf lange Sicht eine differenziertere und ausbalanciertere Sicht europäisch-orientalischer Interaktion christlicher Akteure beider Pole (so dieser Begriff hier denn zulässig ist) möglicher zu machen
Die kleine Gemeinschaft der Herrnhuter Brüderunität in Kairo kam schon bald in Kontakt zu koptischen Christen auch außerhalb der ägyptischen Hauptstadt und einzelne Brüder unternahmen immer wieder Reisen über Land in die Dörfer Oberägyptens, aus denen sie von einzelnen koptischen Christen eingeladen worden waren. Ein Dorf entwickelte sich dabei zum zentralen Anlaufpunkt der Bemühungen der Herrnhuter: Behnesse, al-Bahnassa, das antike Oxyrhynchos. 1770 reiste Johann Heinrich Dancke erstmals von Kairo aus in das Dorf. Seine Reiseaufzeichnungen dokumentieren daher nicht nur die ersten Schritte der Herrnhuter in der dörflichen koptischen Lebenswelt Ägyptens, sondern auch seinen eigenen Lernprozess und seine Erlebnisse und Erfahrungen auf dem Hintergrund dessen, was ihm Gesehenes, Gehörtes und Erlebtes verständlich machte. Die Texte dieser Erstbegegnungen zwischen deutschem protestantischem Pietismus und koptisch-religiöser Lebenswirklichkeit in einem ägyptischen Dorf liegen hier erstmals transkribiert für Interessierte aller Fachrichtungen zur Lektüre vor. Sie erlauben einen ganz eigenen Einstieg in koptisches Leben des 18. Jahrhunderts in Ägypten. Behnesse wurde zu einer Herausforderung für Dancke, aber auch der Ort, an dem er sich die Krankheit zuzog, an der er kurz nach seiner Rückkehr in Kairo dann versterben sollte. So sind die Texte auch Zeugnisse eines bewegenden schlichten Schicksals eines der Herrnhuter in Ägypten
Der Syro-Iraner Lazarus Jaure und die Deutschen
Wer bin ich? Für Menschen, die sich zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen bewegen, erhält die Frage nach der eigenen Identität eine besondere Bedeutung. In diesem Buch thematisiert Martin Tamcke die Selbsterfahrung in der kulturellen Fremde nicht abstrakt und theoretisch, sondern konkret und anschaulich am dramatischen Lebensweg des „nestorianischen“ Christen Lazarus Jaure (1888–1978). Zum Studium nach Deutschland geschickt und früh auf sich selbst gestellt, vefolgte Lazarus gegen zahlreiche Widerstände seine wissenschaftlichen Ambitionen, wurde als Missionar zurück in seine persische Heimat entsandt, erfuhr dort Entfremdung und Demütigung durch die westlichen Missionswerke und wurde schließlich Zeuge des Völkermords an den Christen während des ersten Weltkriegs; er starb als Emigrant in den USA. Exemplarisch werden an dieser Biografie menschliche Grenzerfahrungen deutlich, und die Lektüre lädt zur Reflexion der eigenen Lebenswirklichkeit ein. Damit ist das Buch zugleich ein Versuch über Transkulturalität.