Plurale Weltinterpretationen praktizieren wir täglich, meist ohne uns darüber bewusst zu sein. Zustande kommen sie durch die gleichzeitige und gleichwertige Existenz verschiedener Modelle der Weltinterpretation. Sie sind Produkte menschlicher Schöpferkraft und stehen als parallele Realitäten einander ergänzend und einander widersprechend nebeneinander. Das Buch führt am Beispiel der Tyva Südsibiriens in zwei Modelle der Weltinterpretation und in die Praxis des Umgangs mit ihnen ein. Es zeigt, wie einzelne lokale Akteure zwei von mehreren Modellen flexibel zum Einsatz bringen, um Situationen zu deuten und in ihnen zu handeln. Es wird deutlich, welchen Regeln die Tyva dabei folgen, von welchen Gründen sie sich leiten lassen und welche Folgen sie zu tragen haben. Das Ergebnis ist ein Bild zeitgenössischer Kultur, das der gegenwärtig gegebenen Flexibilität und Pluralität des menschlichen Deutens, Handelns und Verhaltens gerecht wird.
Anett C. Oelschlägel Bücher



Die Tyva (Tuwiner/Tuva) sind bekannt für ihren originellen Oberton- und Kehlgesang sowie für ein lebendiges Schamanentum. Doch wer in der westlichen Welt weiß, dass beide Phänomene Sinn und Existenz aus einer uns nicht vertrauten Sicht der Welt schöpfen? Auf der Suche nach dem „Heiligen“ spricht die Autorin von einer Religion des Alltags, und während ihres Exkurses durch die tyvanische Wirklichkeit bezeichnet sie dieses Glaubenssystem als Naturreligion – ein Begriff, dem sie mit Hilfe des tyvanischen Wissens eine neue Bedeutung verleiht.