Wie kaum ein anderes Rechtsgebiet hat das Umweltrecht in den vergangenen Jahren den Blick auf die Handlungsformen des Staates gelenkt, in denen sich traditionell das Verhältnis von Staat und Gesellschaft widerspiegelt. Obwohl im Alltag nie vollständig verdrängt, sind die Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung im auf die staatliche Eingriffsverwaltung zugeschnittenen System des Verwaltungsrechts zunächst als störender oder zu vernachlässigender Fremdkörper begriffen worden, bevor sie mit der wachsenden Bedeutung der Leistungsverwaltung als notwendige Ergänzung und vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Gestaltungsprobleme umweltschützender Risikovorsorge sogar als Alternative zum Ordnungsrecht hervortraten. Aufgezeigt wird, daß staatliches Handeln auch diejenigen Risiken erfaßt, die von der Rechtsgemeinschaft als rechtlich hinnehmbar, aber unerwünscht bewertet werden. Davon gehen nunmehr auch die Entwürfe für ein Umweltgesetzbuch aus, in denen der Konnex zwischen der erweiterten Risikovorsorge und dem Ausbau geeigneter Instrumente für Unsicherheitsbewältigungen unter der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Der indirekten Verhaltenssteuerung werden vorwiegend die ökonomischen, informalen und organisatorischen Steuerungsideen des Staates zugerechnet. Diese sind durch Steuerungsmittel gekennzeichnet, die sich vom Ordnungsrecht signifikant unterscheiden: Nicht Legalität, Rechtsförmlichkeit und Individualrechtsschutz prägen das auf Motivationsbeeinflussung setzende Instrumentarium des Staates, sondern Anreizwirkung, Tauschprinzip und induzierte Selbststeuerung. Festgestellt wird, daß die Stigmatisierung und die Zurückdrängung lenkender Einwirkung der zunehmenden Einsicht in die Unverzichtbarkeit indirekter Verhaltensbeeinflussung im Umweltrecht gewichen sind. Dies macht deren rechtliche Einbindung und die Suche nach neuen Gestaltungsmitteln des Rechts jedoch nicht entbehrlich. Hierbei hat sich die verwaltungsrechtliche Dogmatik zu öffnen und die Konzentration auf die Rechtsform zu hinterfragen, um den Wandel der Handlungsformen vor dem Hintergrund zu bewältigen, diese im Recht zu integrieren und durch das Recht für den Bürger überschaubar zu machen.
Claudio Franzius Bücher






Allgemeines Verwaltungsrecht
- 350 Seiten
- 13 Lesestunden
Das neue Lehrbuch zum Allgemeinen Verwaltungsrecht von Claudio Franzius bietet eine verwaltungsrechtliche Dogmatik im Kontext. Es will die klassische Zweiteilung von Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaft auf der einen Seite und Verwaltungsrecht und Unionsrecht auf der anderen Seite überwinden. Aus verwaltungswissenschaftlicher Perspektive soll das Steuerungsmodell für die Darstellung des Allgemeinen Verwaltungsrechts fruchtbar gemacht werden, etwa bei der Prüfung behördlicher Ermessensentscheidungen: die der Verwaltung im Wege des Ermessens eingeräumten Letztentscheidungsbefugnisse werden nach dem Steuerungsmodell nicht als Wahlfreiheit, sondern als ein durch den Gesetzeszweck angeleitetes Abwägen von Richtigkeitskriterien verstanden. Eingehend wird die europarechtliche Perspektive auf das Verwaltungsrecht dargestellt. Weiterhin aufrechterhalten bleibt die Trennung zwischen Allgemeinem und Besonderem Verwaltungsrecht. Das Lehrbuch stellt die Bezüge zum Besonderen Verwaltungsrecht dar, wohingegen auf eine Darstellung des öffentlichen Sachenrechts verzichtet wird. Die wesentlichen Anspruchsgrundlagen des Staatshaftungsrechts werden behandelt. Zahlreiche Beispielsfälle runden die Darstellung ab.
Die Neuerfindung Europas
Bedeutung und Gehalte von Narrativen für die europäische Integration
Der Band fasst die Beiträge der vierten Tagung des Gesprächskreises „Recht und Politik in der Europäischen Union“ zusammen, die gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung im April 2017 in Berlin veranstaltet wurde. Ausgangspunkt war die These, dass es Sinn macht, der Frage nachzugehen, wie ein Narrativ entsteht und welche Funktion es im Integrationsprozess hat. Führt uns das „Europa der Vaterländer“ in eine Union, die stärker als bisher durch die nationale Identität der Mitgliedstaaten geprägt ist? Was bleibt von der Rechtsgemeinschaft? Ist „Frieden“ ein überholtes Narrativ? Warum fällt es so schwer, das „Europa der Wohlfahrtsstaaten“ unter einem sozialen Narrativ zu reformieren? Vieles spricht dafür, das traditionelle Leitbild der „ever closer union“ zu hinterfragen und den europäischen Rechtsraum differenzierter, flexibler und pluralistischer zu denken. Daran schließen sich Fragen an: Wie könnte das Narrativ für ein demokratisches Europa aussehen? Schließlich aber auch: Was bedeutet das alles für Recht und Politik? Mit Beiträgen von Armin v. Bogdandy, Sigrid Boysen, Claudio Franzius, Sylvie Goulard, Peter M. Huber, Albrecht Koschorke, Thorsten Kingreen, Gertrude Lübbe-Wolff, Franz C. Mayer, Martin Nettesheim, Angelika Nußberger, Jörn Reinhardt, Lars Viellechner, Mattias Wendel
Recht und Politik
Zum Staatsverständnis von Ulrich K. Preuß
Ulrich K. Preuß ist einer der herausragenden zeitgenössischen Staatsdenker in Deutschland, der einen differenzierten Etatismus vertritt. Er analysiert den Staat unter dem Vorzeichen des Spannungsverhältnisses von Recht und Politik. Sein Werk wird hier erstmalig in umfassender Form einer kritischen Rekonstruktion unterzogen wird. Für Preuß hat einerseits das Politische seine Exklusivität im Staat verloren. Andererseits ist der Staat auch in Zeiten der Globalisierung immer noch die alternativlose politische Organisationsform zur Durchsetzung des Rechts. Dabei versteht Preuß das Recht, speziell die Verfassung als eine Ordnung des Politischen, die nicht nur Macht begrenzt, sondern Freiheit ermöglicht. Dieses Grundverständnis des Staates wird von Preuß wie von keinem anderen deutschen Juristen vor dem Hintergrund je aktueller Herausforderungen und politischer Ereignisse entfaltet – 1968, 1989 und 9/11 können hier als die Eckdaten gelten. Mit Beiträgen von Petra Dobner, Günter Frankenberg, Claudio Franzius, Stephan Leibfried, Isabelle Ley, Anne Peters, Alfred Rinken, Tine Stein.
Recht und Politik in der transnationalen Konstellation
- 345 Seiten
- 13 Lesestunden
Recht und Politik finden heute nicht länger im Staat zusammen, sondern scheinen in der transnationalen Konstellation auseinanderzutreten. Grenzen, wie die zwischen »öffentlich« und »privat« oder zwischen »innen« und »außen«, verschwimmen. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund eine transnationale Demokratie denken? Und wie sehen die Konfliktbewältigungsmechanismen aus, um die unterschiedlichen Ebenen von internationalem, europäischem und nationalem Recht zu koordinieren? Die Antworten von Claudio Franzius auf diese Fragen verdeutlichen, dass der transnationale Raum sich als Herausforderung für Recht und Politik darstellt, was wiederum Fragen nach neuen Verkoppelungen aufwirft. Vor dem Hintergrund der sich stets wandelnden Grenzen plädiert der Autor für eine Neubestimmung von Recht und Politik in der transnationalen Konstellation.
Grenzen der europäischen Integration
- 376 Seiten
- 14 Lesestunden
Reihe Recht und Politik in der Europäischen Union - Band 3.
Die Schuldenkrise stellt die Europäische Union vor große Herausforderungen. Es wird deutlich, dass dieses neuartige politische Gemeinwesen nur als demokratisches Gemeinwesen überleben kann. Aber wie? Die Vorschläge dieses Bandes sind dem Konzept einer „lebendigen Demokratie“ verpflichtet und gehen davon aus, dass die europäische Demokratie auf dem Intaktbleiben der mitgliedstaatlichen Demokratien beruht: Die Autoren sprechen sich für eine stärkere Rückbindung der Europäischen Kommission an die Wahlentscheidungen der Unionsbürger aus. Allerdings sollen die nationalen Parlamente nicht wie im Bundesstaat zu Landesparlamenten schrumpfen. Europäische Politik ist stärker an den Willen der Bürger in ihrer Doppelrolle als Angehörige von Staatsvölkern und als Unionsbürger zurückzubinden.
Strukturfragen der Europäischen Union
- 358 Seiten
- 13 Lesestunden
Die Europäische Union lässt sich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und verstehen. Der Band macht diese Zugangsfragen zum Thema. Behandelt werden neben den Gestalt- und Finalitätsfragen auch die sich verschärfenden Legitimationsfragen. Muss es dem Recht darum gehen, eine demokratische Politisierung der Rechtsgemeinschaft zu ermöglichen, wird der Politik bewusst bleiben müssen, dass erst das Recht eine staatenübergreifende Integration sichert. Wie Recht und Politik in der Europäischen Union zusammenfinden, ist eine zentrale Strukturfrage der Europaforschung. Deren Beantwortung wird über normativ ausgereizte Konstitutionalisierungsangebote ebenso hinausgehen müssen wie über den bloßen Nachvollzug analytischer Beobachtungen europäischen Regierens. Hierfür ist eine Stärkung des Dialogs zwischen Rechts- und Politikwissenschaft unverzichtbar. Ein Forum will die Schriftenreihe zu Recht und Politik in der Europäischen Union bieten, die mit diesem Band eröffnet wird
Europäisches Verfassungsrechtsdenken
- 155 Seiten
- 6 Lesestunden
Claudio Franzius untersucht, wie das europäische Verfassungsrecht auf der Grundlage des Vertrags von Lissabon konzipiert werden kann. Er beleuchtet zentrale Begriffe wie Verfassung, Demokratie und Legitimität, die aus einem spezifischen historischen Kontext stammen und dazu dienen, das staatliche Gemeinwesen zu ordnen. Verfassungsrecht wird als staatsbezogenes Recht betrachtet, wobei das europäische Verfassungsrecht als zivilisatorische Errungenschaft der Moderne gilt. Da die Europäische Union jedoch kein Staat ist und dies auch nicht werden soll, stellt sich die Frage, ob die traditionellen staatstheoretischen Konzepte angemessen sind. Franzius argumentiert, dass diese Begriffe nicht aufgegeben, sondern auf ein nicht-staatliches Gemeinwesen angewendet werden müssen. Er kritisiert die dichotome Sichtweise von Staat und Nicht-Staat sowie von Verfassung und Nicht-Verfassung. Um die Verfassung zu bewahren, muss sie europäisch gedacht werden, als ein Gemeinwesen, das nationale und supranationale Elemente in wechselseitiger Komplementarität integriert. Dies impliziert, dass es keine europäische Verfassung jenseits der nationalen Verfassung geben kann und umgekehrt keine nationale Verfassung, die sich gegen das Europarecht positionieren könnte.
Gewährleistung im Recht
- 767 Seiten
- 27 Lesestunden
Immer weniger gelingt es, die Herausforderungen des Rechts in der Dichotomie von Staat und Markt zu verarbeiten. Das gilt auch für die Aufgaben der Daseinsvorsorge unter dem neuen Leitbild des Gewährleistungsstaates. Claudio Franzius fordert deshalb ein Regelungsmodell öffentlicher Dienstleistungen. Er hält hierfür eine Rekonstruktion der europäischen Rechtsordnung als Gewährleistungs- und Regelungsverbund für notwendig. Maßgebliche Legitimationskategorie muss das Vertrauen durch ein Strukturgewährleistungsrecht sein, das Regulierung und Ausschreibung als neue Formen im Verwaltungsrecht verarbeitet. Öffentliches Gewährleistungsrecht soll die Organisation, Finanzierung und Qualitätssicherung der Leistungserbringung durch private Akteure akzentuieren. Der Autor zeigt auf, dass transnationale Regelungsstrukturen eine neue Autonomie des Rechts verlangen.