Über Geschmack lässt sich doch streiten
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In der Kunstwissenschaft ist umstritten, wie das Thema ‘Farbe’ behandelt werden sollte. „Sprechen über Farbe“ untersucht, wie Kunsttheoretiker in der Vergangenheit mit Farbe umgegangen sind und welche heutigen methodischen Ansätze zur Analyse von Farben in historischen Bildern existieren. Die vorgestellten Herangehensweisen verdeutlichen, dass eine Synthese aus historischer Argumentation und formal-ästhetischer Analyse notwendig ist, um die Funktionen von Farbe im Bild umfassend zu erfassen. Exemplare der Farbinterpretation werden an Rubens und Poussin behandelt, deren Werke im 17. Jahrhundert die querelle du coloris auslösten. Dieser Streit, der die Mitglieder der französischen Academie royale de peinture et de la sculpture spaltete, gilt als eine der heftigsten intellektuellen Auseinandersetzungen über Farbe in der Theoriegeschichte. In der querelle du coloris wurden zentrale Aspekte angesprochen, die die kunsthistorische Farbforschung bis heute herausfordern, wie die Übersetzung von Farbkompositionen in Sprache, die Emotionalität des Farbenerlebens und die Veränderlichkeit von Farben durch äußere Einflüsse. Poussins Bilder, mit klar voneinander geschiedenen Farben, verdeutlichen bedeutungstragende Funktionen, während Rubens’ dynamisch ineinander fließende Farben die wirkungsästhetische Kraft der Farbe betonen.
Gianni Caravaggio (geb. 1968) lebt und arbeitet in Mailand und Sindelfingen. Im Zentrum seiner Kunst stehen Entstehungs- und Wandlungsprozesse. Der Künstler inszeniert in seinen Plastiken und raumgreifenden Installationen potenzielle Entwicklungen von Dingen. Einige seiner plastischen Arbeiten erinnern an Formationen aus der Frühzeit der Erdgeschichte, andere überraschen durch ungewöhnliche Materialkombinationen. Im Gespräch mit der Kunsthistorikerin Irene Schütze (Kunsthochschule Mainz) gibt Caravaggio Auskunft über seine Kunst und wo er sich selbst verortet. Obwohl der Kunstmarkt international ist und die Akteure zunehmend global agieren – was sich letztlich auch in künstlerischen Themen und Ausdrucksformen widerspiegelt – zeigen sich immer noch Differenzen in den Kunstszenen der europäischen Länder. Diese wiederum haben Auswirkungen auf die Kunstproduktion – und natürlich auch auf das Werk von Gianni Caravaggio. Der Band enthält neben dem Künstlergespräch weitere Texte: Peter Forster (Museum Wiesbaden) befasst sich in seinem kunsthistorischen Beitrag mit strukturellen Bezügen zur Barockkunst, während Irene Schütze Anknüpfungspunkte zu Lucio Fontana aufzeigt. Der Philosoph Federico Ferrari (Accademia di Belle Arti di Brera, Mailand) reflektiert über die ungewöhnliche Zeitlichkeit des Werks. Und Caravaggio erläutert in eigenen Statements seinen Bild- und Kunstbegriff.