Für Bismarck war das „liberale Kreisrichtertum“ ein Schreckgespenst seiner ersten Amtsjahre, da Richter im preußischen Verfassungskonflikt von 1862-66 eine führende Rolle in der Opposition gegen den autoritären Obrigkeitsstaat spielten. Im wilhelminischen Deutschland galt die Richterschaft als monarchistisch, politisch reaktionär oder unpolitisch und wurde durch „Klassenjustiz“ und „Weltfremdheit“ bekannt. Der Autor klärt, wie dieser Umschwung zustande kam, und untersucht, ob das gängige Bild der Richterschaft zutrifft oder ob Unterschiede zwischen Preußen und liberal regierten süddeutschen Staaten bestehen. Dazu wird das politisch relevante Richterdienstrecht von Preußen, Baden und Hessen-Darmstadt sowie die öffentliche Diskussion um „Richteramt und Politik“ zwischen 1866 und 1918 ausführlich behandelt. Auf einer breiten Datengrundlage wird der Umfang der politischen Betätigung von Richtern in diesen drei Staaten verglichen. Der Hauptteil der Arbeit widmet sich der Sanktionspraxis und Personalpolitik in der Justiz und beleuchtet die Politik gegenüber Angehörigen konfessioneller und nationaler Minderheiten. Der Autor gelangt zu Ergebnissen, die das herkömmliche Bild der wilhelminischen Justiz erheblich differenzieren. Der Text wird durch Graphiken, Tabellen, fast 300 Kurzbiographien politisch bedeutsamer Richter, ein ausführliches Stichwortregister und Karten zur Gerichtsorganisation im Kaiserreich ergänzt.
Thomas Ormond Reihenfolge der Bücher


- 1994