Geschwister von Menschen mit Behinderung sind besondere Persönlichkeiten. Sie sind geprägt vom Zusammenleben mit einem oder mehreren Menschen, deren Lebensgrundlage durch die Behinderung eine andere ist. Damit wird keinesfalls die Individualität anderer Kinder, Jugendlicher und Erwachsener in Frage gestellt, vielmehr darauf aufmerksam gemacht, dass es in diesem Buch darum geht, jene Fragestellungen und Haltungen aufzuzeigen, die Geschwisterkinder in besonderer Weise auszeichnen. Die pädagogischen Grundgedanken von Janusz Korczak, 1878-1942, Arzt, Pädagoge, Schriftsteller, Pole und Jude, sind Leitlinien der Begleitung. Im Wesentlichen geht es darum zu beobachten, zu fragen, Gefühle zuzulassen, weiter zu beobachten, um weiterfragen zu können. So lassen sich mögliche Wege aus dem Labyrinth von Geschwisterbeziehungen suchen und finden. In diesem ersten Band arbeitet die Autorin auf der Basis von Selbstaussagen von Kindern, jugendlichen und erwachsenen Geschwistern, Aussagen von Eltern diese besonderen Fragestellungen und Haltungen aus. Berichte von Eltern und Geschwistern, Großeltern und Aussagen aus Geschwisterseminaren und Geschwistergruppen ergänzen. In einem in Kürze erscheinenden Folgeband werden die sich daraus ergebenden Besonderheiten im pädagogischen Umgang einschließlich der notwendigen besonderen Methodik dargestellt. Marlies Winkelheide, Dipl. Sozialwissenschaftlerin, Jahrgang 1948, seit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der Beglei-tung von Geschwisterkindern, für die sie gemeinsam mit Charlotte Knees eigene Angebots-formen entwickelt hat. Sie arbeitet freiberuflich, seit 2005 ist sie zudem in der Beratungsstelle Geschwisterkinder der Lebenshilfe Bremen e. V. tätig. Das ebenfalls im Geest-Verlag erschienene Buch ‘Ich neben dir - du neben mir’ (ISBN 978-3-86685-045-3) ist, mittlerweile in zahlreichen Auflagen erschienen, zu einem Standardwerk bei der Arbeit mit Geschwisterkindern geworden.
Marlies Winkelheide Bücher






In diesem Band schreibt die Autorin von ihren Erfahrungen in der Begleitung von Geschwistern, versucht, uns immer wieder neu zum Fragen und zum Beobachten zu animieren, uns immer neu ins Gespräch mit den Geschwistern zu führen. Dabei spricht sie auch von Janusz Korczak, auf dessen Aussagen und Beobachtungen sie zusammen mit ihren Mitarbeitern die Arbeit fundiert. „Ich bin umgeben von Worten, höre Menschen zu, nehme Worte und Sätze auf. Manchmal geht das so schnell, dass ich Tage und länger brauche, um zu verstehen, was mit mitgeteilt wurde, mir und dem Gegenüber die Zusammenhänge zu erschließen, Fragen formulieren zu können.“
Das Buch erzählt Geschichten von Geschwistern, von Geschwistern von Menschen mit Behinderung. Es sind normale, besondere und außergewöhnliche Geschwistergeschichten, je nachdem, welche Sichtweise eingenommen wird und welche eigenen Zugänge der Betrachter hat. Die jahrelange detaillierte Beobachtung von Geschwistern, das umfassende Ernstnehmen, das Fragen und Anfragen von Geschwistern liegt den Aussagen zugrunde, so wie es der polnisch-jüdische Arzt, Pädagoge und Schriftsteller Janusz Korczak (1878-1942) gelehrt hat. Der Einsatz des symbolischen Materials in der Bildungsarbeit ermöglicht Geschwistern, Verbindungen, Verknüpfen, ‚Verschlungenes‘ zu entdecken und zu erkennen sowie Zusammenhänge in Entwicklungen zuzulassen. Von einigen dieser Möglichkeiten berichtet dieses Buch, ohne dabei ohne ein Methodenbuch zu sein.
Zu Themenbereichen wie Zeit Verantwortung Aussprechen von Gefühlen Verrat, Solidarität Verzicht Ferien Bevorzugung Beeinträchtigung Vernachlässigung Auseinandersetzungen (in mir, in der Familie, mit anderen) hat die Herausgeberin in einem persönlichen Brief Geschwister behinderter Menschen gebeten, ihre Gedanken aufzuschreiben, ohne jegliche Vorgabe von Umfang und Form. Beteiligt haben sich 45 Geschwister im Alter von 7 bis 65 Jahren, die ihr in Geschwistergruppen, auf Geschwisterseminaren begegnet sind, die sich mit Fragestellungen an die Beratungsstelle Geschwisterkinder bei der Lebenshilfe Bremen e. V. gewandt haben, die per Internet Kontakt aufgenommen haben, usw. Entstanden sind ganz persönliche Geschichten, die dem Leser eine Fülle von Eindrücken und Erlebnissen aus einer besonderen Lebenssituation vermitteln können, die in unterschiedlichen Familien in verschiedenen Generationen bewältigt wurden.