Die drei Ringe
Warum die Religionen erst im Mittelalter entstanden sind
Warum die Religionen erst im Mittelalter entstanden sind
Erkundungen religiöser Komplexität im mittelalterlichen Afro-Eurasien
In der aufgeheizten öffentlichen Debatte erscheinen die monotheistischen Religionen als Ursache von Gewalt und religiöser Intoleranz. Radikale Gruppen bedienen sich der Gewaltgeschichte und der religiösen Polemik der mittelalterlichen Jahrhunderte für ihre politischen Strategien. Dabei nutzen sie die weit verbreitete Annahme, dass gegenwärtige Erfahrungen religiöser Komplexität eine neuartige Erscheinung sind, die den vermeintlich ursprünglichen Zustand entstellen. Es scheint daher angebracht, sich die bekannte Tatsache vor Augen zu führen, dass die Duldung anderer monotheistischer Gruppen in den christlichen und islamischen Herrschaftsgebieten Eurasiens in den mittelalterlichen Jahrhunderten üblich gewesen ist. Tatsächlich scheint die echte monoreligiöse Situation mancher Regionen als erklärungsbedürftige Ausnahme. Ferner waren die herrschenden christlichen oder islamischen Gruppen nicht selten zu Beginn in der numerischen Minderheit. Was bedeutet dies für die verflochtene Geschichte Eurasiens? In welchem Verhältnis standen religiöse Abgrenzung und soziale und kulturelle Verflechtung? Zu diesen Fragen wurden in den letzten Jahren neue Forschungsansätze entwickelt, die hier diskutiert und systematisiert werden sollen.
Religiöse Minderheiten stellen eine Herausforderung für das politische und kulturelle Handeln der Gegenwart dar. Historisch gesehen waren multireligiöse Räume jedoch der Normalzustand, bedingt durch Migration, Missionierung und Eroberungen. Die Machtverhältnisse zwischen religiösen Mehrheiten und Minderheiten waren oft unklar und prekär; manchmal waren die Anhänger der dominanten Religion zahlenmäßig unterlegen. Dies wirft grundlegende Fragen auf: Was definiert eine „religiöse Minderheit“ und wie interagiert sie mit ihrer religiösen Umwelt? Welche Einheit liegt der Definition zugrunde? Wie konstruiert und erhält sie ihre Gruppenidentität? Welche Rolle spielen Identitätsstiftung, interreligiöse Interaktion und öffentliche Präsenz? Wie werden religiöse Minderheiten behandelt und wie agieren sie gegenüber der Mehrheitsreligion? Welche Normen prägen ihr Miteinander und welche politischen Imperative ergeben sich daraus? Der Tagungsband diskutiert die Perspektiven religiöser Minderheiten interdisziplinär und zeit- sowie raumübergreifend und bietet neue Denkanstöße zu diesem komplexen und aktuellen Thema. Beiträge von John Tolan, Bärbel Beinhauer-Köhler, Martin Sökefeld u.a. ergänzen die Diskussion.
Das »christliche Abendland« ist eine Konzeption, die das historische und politische Denken in Europa bis in die Gegenwart prägt und sogar politisch wirksam ist. Die Antrittsvorlesung geht aus mediävistischer Sicht der Frage nach, ob der Begriff des »christlichen Abendlandes« das Christentum im Mittelalter allein repräsentieren kann und ob das »christliche Abendland« tatsächlich so einheitlich christlich geprägt war, wie gern behauptet. Dabei werden historische Konstruktionen, die euroasiatische Verbreitung der monotheistischen Religionen und religiöse Devianz im lateinischen Christentum angesprochen. Monoreligiosität war im Mittelalter bestenfalls ein unerreichtes Ideal.