Martin Buber
8. Februar 1878 – 13. Juni 1965
Martin Mordechai Buber (geboren am 8. Februar 1878 in Wien; gestorben am 13. Juni 1965 in Jerusalem) war ein österreichisch-israelischer jüdischer Religionsphilosoph. Er ist bekannt für seine Arbeiten zur Dialogphilosophie und zum Chassidismus. Ferner übersetzte er den Tanach neu und engagierte sich im Zionismus.
Martin Buber wurde 1878 in Wien in wohlhabenden Verhältnissen geboren. Er war der Sohn von Carl (Castiel Salomon) Buber, ein erfolgreicher Unternehmer, der im Geschäft mit Getreide, Mineralöl und Phosphatgruben aktiv war. Er gehörte dem liberalen Judentum an. Martin Bubers Mutter war Elise Buber (geb. Wurgast), eine russische Schauspielerin aus Odessa. Seine Eltern trennten sich 1881, und er wuchs ab dem Alter von vier Jahren bei seinen Großeltern väterlicherseits im galizischen Lemberg (heute Lwiw, Ukraine) auf. Seine Mutter gründete mit einem Offizier eine neue Familie in Russland. Dieser Verlust, der ohne Abschied geschah und ihm von seinen Großeltern auch nicht erklärt wurde, beschäftigte ihn ein Leben lang. Er sah seine Mutter nur ein einziges Mal wieder und erfuhr von ihren genauen Lebensumständen erst 1913 durch einen Brief seiner Halbschwester. Buber wuchs dreisprachig auf. Von 1888 bis 1896 besuchte er das damals polnischsprachige katholische Kaiser-Franz-Joseph-Gymnasium zu Lemberg, zuvor erhielt er Privatunterricht. Sein Großvater war der Privatgelehrte und Midraschexperte Salomon Buber, der zu seiner Zeit einer der wichtigsten Forscher und Sammler auf dem Gebiet der chassidischen Tradition des osteuropäischen Judentums war. Mit ihm sprach er Jiddisch. Seine Großmutter Adele sprach Deutsch, das sie sich im Selbststudium durch das Lesen deutscher Literatur angeeignet hatte; zum Schreiben benutzte sie jedoch meist wie im Jiddischen Hebräische Buchstaben. Seine Muttersprache war daher Jiddisch, und erst in seiner Studienzeit war er umgeben von Menschen mit Muttersprache Deutsch. Seine Mehrsprachigkeit zeichnete ihn zeitlebens aus. Er schrieb auf Deutsch, Hebräisch, Englisch, Französisch, Italienisch und Polnisch; er beherrschte Griechisch und Latein. Dem besonderen Verhältnis seiner Großmutter zu Sprache schreibt Buber zu, ihn tief geprägt zu haben. Martin Buber studierte in Wien, Leipzig, Zürich und Berlin. Er belegte Nationalökonomie, Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte, Psychiatrie und Psychologie, u. a. bei Heinrich Herkner, Gustav Schmoller, Wilhelm Dilthey und Georg Simmel. 1903 promovierte er mit der Dissertation Zur Geschichte des Individuationsproblems. Nicolaus von Cues und Jakob Böhme.1899 lernte er die Katholikin Paula Winkler kennen, mit der er sich 1907, nach ihrer Konversion zum Judentum, offiziell verheiratete. Sie wirkte an seiner Arbeit intensiv mit und veröffentlichte ihre eigene schriftstellerische Arbeit unter dem Pseudonym Georg Munk. Das Paar hatte zwei Kinder: Sohn Rafael (1900–1990), verheiratet von 1922 bis 1929 mit Margarete Buber-Neumann, und Tochter Eva (1901–1992), verheiratet mit Ludwig Strauss. In Wien lernte er Theodor Herzl persönlich kennen (erste briefliche Kontakte gab es im Februar 1900) und schloss sich dessen zionistischer Bewegung an. Im September 1901 übertrug Herzl Buber die Leitung des zionistischen Parteiorgans Die Welt als Nachfolger Berthold Feiwels, der nicht dazu zu bewegen war, die Funktion weiterhin wahrzunehmen. 1902 war Buber Mitbegründer des Jüdischen Verlags. Ab 1905 arbeitete er für den Verlag Rütten & Loening als Lektor; dort initiierte und betreute er u. a. das großangelegte Projekt einer sozialpsychologischen Monografienreihe Die Gesellschaft. 1908 war er an der Gründung des Sozialistischen Bundes beteiligt (u. a. mit Gustav Landauer und Erich Mühsam). Von 1907 bis 1916 lebte Buber in einem Haus in Berlin-Zehlendorf. 1916 gründete er zusammen mit Salman Schocken die Monatszeitschrift Der Jude, deren Herausgeber er war. Buber bekam anfänglich ein geringes monatliches Honorar von Schocken. Später arbeitete er ohne Entgelt und finanzierte sich durch Zuwendungen seines Vaters und mit Einkünften aus Besitztümern, die ihm seine Großeltern vermachten. Diese Arbeit nahm in den Folgejahren einen Großteil seiner Arbeitszeit in Anspruch. Seine philosophischen und chassidischen Arbeiten mussten hintenanstehen, was ihn zunehmend belastete. In einem Brief schrieb er 1922: „[…] übrigens – dies voerst nur im Vertrauen – habe ich vor, den Jüdischen Verlag und auch den Juden so bald als möglich loszuwerden; […] Ich will mir die nächsten Jahre von meiner eigentlichen Arbeit bestimmen lassen […].“ Ab 1916 lebte Buber mit seiner Familie in Heppenheim an der Bergstraße, wo er 1923 sein philosophisches Hauptwerk Ich und Du veröffentlichte und gemeinsam mit Franz Rosenzweig Die Schrift, eine Neuübertragung der Hebräischen Bibel ins Deutsche, begann.Er hielt 1924 auf dem Monte Verità einen Tao-te-jing-Kurs ab. Von 1924 bis 1933 war Martin Buber erst Lehrbeauftragter und zuletzt Honorarprofessor für jüdische Religionslehre und Ethik an der Universität Frankfurt am Main. Er legte diese Professur 1933 nach der Machtübernahme Hitlers nieder, um einer Aberkennung zuvorzukommen. Er beteiligt sich danach am Aufbau der Mittelstelle für jüdische Erwachsenenbildung bei der Reichsvertretung der Deutschen Juden. Die Mittelstelle war eine von 1934 bis 1938 tätige jüdische Bildungseinrichtung. „Ihr Hauptziel war es, den deutschen Juden die Möglichkeit zu geben, ihre jüdische Identität zu stärken, vor allem, als die jüdische Welt, die sie kannten, um sie herum zusammenbrach. Dies spiegelt sich in dem von Buber geprägten Slogan für das Zentrum wider: ‚Bewaffnung für die Existenz‘.“Am 21. Februar 1935 untersagte die Geheime Staatspolizei Buber „bis auf weiteres jede Betätigung als Redner in öffentlichen Veranstaltungen und in geschlossenen Tagungen jüdischer Organisationen“. Im selben Jahr wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Bubers Wohnhaus in Heppenheim wurde während der November-Pogrome am 9. November 1938 verwüstet. Er wohnte darin von 1916 bis 1938 zusammen mit seiner Frau und später seinen Enkelinnen, den Töchtern von Rafael Buber und Margarete Buber-Neumann. Barbara (verheiratete Goldschmidt) wurde Malerin, Judith Soziologin und Frauenforscherin. Nachdem es als Kfz-Zulassungsstelle gedient hatte, wurde das Haus 1975/1976 unter Denkmalschutz gestellt, in den Jahren 1978/1979 renoviert und restauriert. Seit April 1979 ist das Haus Sitz des Internationalen Rates der Christen und Juden (ICCJ). In den Jahren 1938 bis 1940 verfasste Paula Buber das literarische Zeitbild Muckensturm. Ein Jahr im Leben einer kleinen Stadt, das 1953 unter Pseudonym veröffentlicht wurde, wobei sich Muckensturm auf Heppenheim bezieht. 1938 konnte Buber aus dem NS-Staat nach Jerusalem entkommen – er selbst sprach immer von seiner Einwanderung. Er lehrte dort von 1938 bis 1951 an der Hebräischen Universität von Jerusalem Anthropologie und Soziologie. Ab diesem Zeitraum stand Buber einigen zionistischen Intellektuellen nahe, so etwa dem Philosophen Felix Weltsch, dem Schriftsteller Max Brod, Politikern wie Chaim Weizmann als auch Hugo Bergman. Sie alle waren Bekannte Bubers aus dem alten Europa der Städte Prag, Berlin und Wien; ihre Freundschaft und gegenseitige Anregung bestand bis in die 1960er Jahre. Kurz nach den Novemberpogromen erschien Ende 1938 ein offener Brief Mahatma Gandhis unter der Überschrift Die Juden, in dem er zur Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland, zum Zionismus und zum Palästinakonflikt Stellung bezog. Gegen diesen Text wandte sich nicht nur Martin Buber. Gandhi betonte zwar seine Sympathien für das jüdische Volk, lehnte aber den Zionismus als ungerecht gegenüber den Arabern ab, denen Palästina ebenso zustehe wie England den Engländern und Frankreich den Franzosen. Ein Krieg gegen Deutschland könne zur Verhinderung der „frevelhaften Verfolgung eines ganzen Volkes“ gerechtfertigt werden. Allerdings könnten die Juden der Verfolgung mit gewaltlosem, organisiertem, zivilen Widerstand begegnen. Es gebe Gemeinsamkeiten zur Situation der Unberührbaren in Indien und zur Diskriminierung der Inder in Südafrika. Buber widersprach in seiner scharfen Replik dem Vergleich der antisemitischen Gewalt mit der Diskriminierung der Inder durch die Briten und Buren. Gandhi kenne die Lage in den deutschen Konzentrationslagern nur unzureichend, das Ausmaß des nationalsozialistischen Terrors sei ihm nicht bewusst. Buber drückte seine Enttäuschung darüber aus, dass der von ihm geschätzte und verehrte Gandhi oberflächlich urteile, denn die Inder in Südafrika würden diskriminiert, seien aber weder vogelfrei, noch würden sie systematisch beraubt oder sogar umgebracht und zu „Geiseln für das erwünschte Verhalten des Auslands“ gemacht. Jahrelanger gewaltloser Widerstand jüdischer Deutscher habe die Nationalsozialisten nicht an ihren Unrechtstaten hindern können, sondern die Gewalt eher verstärkt. Gandhis Behauptung, Palästina gehöre ausschließlich den Arabern, sei historisch, rechtlich und moralisch falsch. Vielmehr stehe Palästina beiden Völkern bzw. allen Völkern zu, die geschichtlich mit diesem Land verbunden seien. Nur ein gemeinsames gewaltfreies Leben miteinander führe zu Frieden und Gerechtigkeit. 1953 erhielt Buber den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels; mit dessen – in Israel sehr umstrittener – Entgegennahme in der Frankfurter Paulskirche setzte er ein Zeichen der Verständigungsbereitschaft. Der Bergsträßer Anzeiger schrieb zu seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung: „Buber hat die Welt in seinen Dankesworten ermahnt, das Vertrauen zurückzugewinnen. Die Krise der Menschen zeigt sich am deutlichsten als eine Krise des Vertrauens“. Nach Heppenheim kehrten weder er noch seine Frau je zurück.In New York war Buber 1955 neben Hannah Arendt, Gershom Scholem u. a. an der Gründung des Leo Baeck Instituts beteiligt, einer wichtigen Dokumentations- und Forschungsstätte für die Geschichte der deutschsprachigen Juden. Ein Großteil der Bestände, die auch in elektronischer Form vorliegen, ist im Jüdischen Museum Berlin einsehbar. Buber gehörte auch – ebenso wie Hannah Arendt – zu den Autoren des Aufbau. Paula Buber starb 1958 in Venedig bei der Rückkehr von einer Reise durch die USA und Europa, die sie mit ihrem Mann gemeinsam unternommen hatte. Martin Buber starb 1965 in Jerusalem.