Der giftigen Faktizität der gegenwärtigen Gegebenheiten von Krieg, Not und Naturzerstörung setzen die Gedichte in »Aschengeheimnis« ein Antidot des poetischen Wortes entgegen. In rund 40 pointierten Texten wirft der Lyrikzyklus ein ums andere Mal ein Schlaglicht auf den Ernst der Lage – und öffnet zugleich mit den Mitteln der Kunst einen Raum für Möglichkeiten der Lösung.
Was ist der Unterschied zwischen Massentierhaltung und Haltung? In ihren Gedichten stellt Petra Ganglbauer fest, dass die Welt keine unveränderliche Größe ist, sondern – angelangt im Anthropozän – an allen Ecken und Enden brennt, ein einziges Schlachtfeld voll waldloser Wälder und leerer Körper von Schlachtvieh geworden ist. Ganglbauer setzt ihre Texte direkt an den »Nahtstellen der Erde« an und legt die »Textur des Grauens« offen, die sich durch das Sägen, Mähen, Erbeuten und Töten ergeben hat. Kriege, Klimawandel, Menschen- und Tierleid – die Auslöschung schreitet voran, die Bildabfolge kommt zu einem Ende, die Zeit ist ausgelaufen, »unter den Fußtritten bricht die Tektonik« und es bildet sich wieder eine Art Ursuppe. Gibt es noch Rettung? »Lediglich in den Augen (Winkeln) / Der Aufstand der Dinge (Wesen)« Oder haben die Wehrlosen längst kapituliert? Petra Ganglbauers Sprache beugt sich keiner Ohnmacht und keiner Übermacht. Sie ist ein durchdringender Gesang, eine klare und deutliche Stimme im Chaos der Gegenwart.
Krieg, Flucht, im Mittelmeer sinkende Boote, mit Reichtum verknüpftes Elend – damit wird man tagtäglich über alle Kanäle im Übermaß konfrontiert, das ist die Wirklichkeit. Aus Selbstschutz, Bequemlichkeit oder Ignoranz schiebt man das weg, übt sich in Rechtfertigung, Betroffenheit, Wegschauen. Petra Ganglbauer richtet ihr lyrisches Objektiv aber genau darauf, schaut dorthin, wo es wehtut, bleibt in Nahaufnahme bei den Menschen, die in der Statistik von Individuen zur Masse, zur Nummer werden. Mit mutiger Sprache und scharfen Bildern besteht sie darauf, dass unser Handeln und Nicht-Handeln Konsequenzen hat, dass es aber aus dieser grausamen Passivität auch einen Ausweg gibt: Man muss hinschauen und irgendwo anfangen.
Zur Lage thematisiert mittels dreier Zugänge (Terrestrisch – Sprachlich –Extraterrestrisch) existenzielle Fragen und globale Auseinandersetzungen wie Krieg, Flucht (Themen, die die Autorin seit Jahrzehnten behandelt), Sprachverrohung oder aber auch die Poetisierung der Welt. Im Spannungsfeld von ICH_SPRACHE_WELT finden sich diese Texte. Ist der erste Teil aufgebrochener (es finden sich Gedichte, Listen, Kurzprosastücke darin), so versteht sich Teil zwei eher als reflektierend und Teil drei kompakt lyrisch. In diesem Sinn ist das Buch auch gattungsüberschreitend. Teil drei befasst sich mit dem Großen, Übergeordneten, mit dem Makrokosmos, in dessen Spiegel die anderen „kleinen“ globalen Ereignisse sich finden.
Mit allen Sinnen dokumentiert Petra Ganglbauer ihre Hinwendung zu einer Stadt, die ihre Geburtsstadt ist, die sie vor 30 Jahren verließ und zu der sie ein gespaltenes Verhältnis hat: GRAZ. Mittels verschiedener „Anläufe“ versucht sie, das Damals (als sie noch in dieser Stadt lebte) und das Heute zu spiegeln: Sie wählt Orte aus, die sie mit Erinnerungen verbindet und beobachtet, wie diese Orte heute auf sie wirken. Sie erzeugt Bilder von Graz. Sie löscht die Bilder wieder. Sie versucht zu erkunden, wie Graz riecht, wie es spricht, wie es klingt und wie es schmeckt! Doch Graz entzieht sich in dem Maße, in dem sie es festzumachen sucht. Diese Versuche der Annäherung spiegeln sich auch im Text, Form und Stil ändern sich je nachdem, ob die Stadt eine Beziehung zulässt bzw. sich ihr widersetzt.
Ort, parallel, und ich stehe am Abgrund, damals, in der Zukunft: Am Zaun und am „Aus!“, am Wiedererkennen und Zurückfinden ins Erdgeschlecht, in die kantige, moosbewachsene Höhle deiner namenlosen Bewohner.
Petra Ganglbauer ist eine fixe Größe in der literarischen Avantgarde Österreichs. In jungen Jahren zunächst Mitherausgeberin der Zeitschrift perspektive und am Aufbau des gangan-Verlags beteiligt, hat sie sich in der Folge als Autorin experimenteller, poetologischer und essayistischer Texte, als Radiokünstlerin und Mitwirkende an interdisziplinären Kunstprojekten sowie als Schreibpädagogin einen Namen gemacht. Im breiten Spektrum der Reihe keiper lyrik markiert Ganglbauers neuer Gedichtband Wasser im Gespräch – ähnlich wie schon Sophie Reyers prämierter Band flug (spuren) – hinsichtlich der Wahl der Stilmittel eine avanciert experimentelle Position. In spannungsreichem Kontrast dazu stehen die elementaren, fast archaisch anmutenden Themen und Motive: Im ersten Teil des Buches, Mondgedichte, geht die Autorin vom traditionell lyrischen Topos des Mondes aus und setzt Mondkonstellationen, Sprache und Empfindungsräume zueinander in Beziehung. Im zweiten Teil, Pflanzengedichte, skizziert sie – teils imaginierend, teils wahrnehmend im Sinne der Signaturenlehre – verschiedene Pflanzen, die, so deuten es Auslassungspunkte am Anfang und am Ende des Zyklus an, vital über den gesteckten Textrahmen hinauswachsen. Dass Mond und Pflanzen mit dem Wasser ins Gespräch kommen, ist kein Zufall. Der Mond bestimmt nicht nur die Gezeiten, er beeinflusst seit jeher auch das Wachstum und die Beschaffenheit von Pflanzen und damit auch ihre Aussaat, Pflege und Ernte durch den Menschen. Ebenso ist das Wasser Grundnahrung jeder Pflanze und die Pflanzendecke Abbild und Rückhalt des Wasserhaushalts der Erde. So ist es ein natürliches Dreiergestirn, das hier mit zeitgenössischen poetischen Mitteln abgebildet und ausgelotet wird. (Helwig Brunner, Herausgeber der Reihe keiper lyrik)
Sind Gedanken, die zu Papier gebracht werden, im Kopf an Sprache gebunden? Oder gibt es eine Art gefühltes Wissen, das erst durch das Ausformulieren in Sprache übersetzt wird? Dem vorliegenden Projekt liegt Verständigung zugrunde. Zehn zeitgenössische österreichische Autorinnen umkreisen - jeweils in Paarkonstellationen interagierend, dialogisch also - gemeinsam gewählte Themen, die bisweilen basierend auf dem Konkreten, Situativen, dann wieder „aus der Leere heraus“ - flüchtig und abstrakt mithin - zu Papier gebracht wurden und sich als Suchbewegungen, Erkenntnis, aber auch Irritation und Ratlosigkeit manifestierten. Die Autorinnen: Patricia Brooks, Judith Nika Pfeifer, Petra Ganglbauer, Sophie Reyer, Karin Ivancsics, Katharina Tiwald, Ilse Kilic, Melamar, Erika Kronabitter, Marianne Jungmaier