Das Buch und die vier Ecken der Welt
Von der Hülle der Thorarolle zum Deckel des Evangeliencodex
- 302 Seiten
- 11 Lesestunden
Die Arbeit beginnt mit einer ikonographischen Analyse der Gammadiae, winkelförmigen Motive auf den Buchdeckeln, die die Langobardenkönigin Theodelinda um 600 an die Basilika San Giovanni in Monza stiftete. Dieses Motiv dient zur Rekonstruktion des Prozesses, durch den in der frühchristlichen Kunst der Buchdeckel zum Spiegel des Buchinhalts wurde und der Vierevangeliencodex als Abbild der Welt inszeniert wurde. Dabei wird das Verhältnis von jüdischer und christlicher Buchverwahrung betrachtet, das sich aus den unterschiedlichen Buchformen, Rolle und Codex, entwickelte. Der Codex, einst in der klassischen Antike als minderwertig angesehen, wird im spätantiken Christentum zum Repräsentationsobjekt. Während biblische Texte im jüdischen Kontext meist als Rollen im Thoraschrank präsentiert werden, zeigt das Christentum diese als mobile Rollen in einer Capsa zu Füßen des lehrenden Christus. Der Ritus der Expositio Evangeliorum erklärt die Entwicklung der Evangelienrepräsentation von einem stets geöffneten Buch zu einem geschlossenen Codex, dessen Deckel zunehmend die Funktion der Thoraschranktüren übernimmt. Die kosmologische Deutung der Bundeslade wird auf den christlichen Buchdeckel übertragen, der als Medium zwischen Offen und Geschlossen, Bild und Wort fungiert. Der Epilog zeigt, wie prägend dieses ikonographische Konzept für das westliche Schriftverständnis wurde und schlägt eine Brücke zur modernen Architektur der Nationalbibli
