Die Chronik der Alberta
Alberta Degn, geb. Zeitlinger, 1869–1960
Im Wesen meiner Großmutter Alberta verschmelzen die Weltvorstellungen des oberösterreichischen Landadels mit denen der Kremstaler Sensenschmiede. Über Generationen hinweg erlangten ihre Vorfahren durch eine Heiratspolitik, die sie von den Habsburgern übernommen haben dürften, eine einzigartige Machtstellung im sensenerzeugenden Gewerbe in der Region Kirchdorf/Micheldorf. Um 1850 besaßen die Familien Zeitlinger, Weinmeister, Hierzenberger, Kaltenbrunner, Stainhuber und Redtenbacher etwa 50 Hammerwerke. Das ohrenbetäubende Getöse der Hammerschläge prägte die Umgebung. Die hierarchisch-patriarchalischen Strukturen und strengen Handwerksordnungen bestimmten den Geist der Sensengewerke, die als „Hammerherren“ vorindustrielle Ausbildungsvorschriften durchsetzten und gleichzeitig dem Zwang zum sonntäglichen Kirchgang unterworfen waren. Mein Urgroßvater, eine Künstlernatur, konnte oder wollte dieses enge Lebenskonzept nicht übernehmen. Seine Chronik berichtet von seinem doppelten Scheitern als Gewerke und als Ehemann und Vater von 15 Kindern, was das Leben seiner jüngsten Tochter, meiner Großmutter, tief beeinflusste. Ihr langes Leben war von weiteren Schicksalsschlägen und Umzügen geprägt, während die Sensenmacherei allmählich verschwand. Trotz aller Widrigkeiten blieb ihre starke Bindung an die Familie unverändert, sowohl zu ihrer Herkunft als auch zu ihren eigenen Kindern und Enkeln. Es ist mir ein großes Anliegen, diese Chronik al
