Die Beiträge des Sammelbandes exemplifizieren verschiedene Zugangsweisen zu einem Gegenstandsbereich, der zunehmendes öffentliches und wissenschaftliches Interesse erfährt. Alltägliche Körperbewegungen weisen viele Bedeutungsschichten auf. Selbst einfache Gebrauchsbewegungen, wie das Trinken aus einer Tasse oder Flasche, haben neben ihrem unmittelbaren Zweck auch physische, psychische, soziale, politische und historische Konnotationen. Adam Kendon und Cornelia Müller kritisieren die traditionelle Einteilung in verbale und nonverbale Kommunikation und streben eine Vereinheitlichung von Gestik- und Sprachtheorie an. Bernhard K. Scholz analysiert historische Aspekte und zeigt, wie Bulwers Chirologia einen kulturhistorischen Wandel in der Erfassung von Gesten im 17. Jahrhundert dokumentiert. Eine Gruppe von vier Beiträgen untersucht Körperbewegungen über sprachliche Ausdrücke. Caroline Schmauser und Monique Moser-Verrey widmen sich der literarischen Verwendung von Körpersprache in Texten des 17. und 20. Jahrhunderts. Friedrich Braun erläutert die Bedeutungsschichten von „Gestennamen“ und Klaus Frerichs untersucht verschiedene Formen des Körperverhaltens von Kellnern. Zwei empirische Studien befassen sich mit psychischen Konnotationen von Körperbewegungen. Harald Wallbott untersucht, ob Körperbewegungen Emotionen differenzieren können, während Jörg Merten mimische Ausdrücke in Kombination mit Blickverhalten analysiert. Thomas Nolls
Caroline Schmauser Bücher


Die "Novelas ejemplares" von Cervantes
Wahrnehmung und Perspektive in der spanischen Novellistik der frühen Neuzeit
Vor dem Hintergrund der krisenhaften Raumerfahrung der Frühen Neuzeit untersucht die Autorin die Präsentation von Wahrnehmung und Perspektive in den Novellen von Cervantes. Der Vergleich mit Texten anderer spanischer Novellensammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts enthüllt bislang vernachlässigte Merkmale des cervantinischen Schreibens. Kritisch wird der häufig unscharf verwendete Begriff der Perspektive diskutiert, während die Darstellung der Wahrnehmungsperspektiven als literarischer Ausdruck des Paradigmas der Perspektive untersucht wird. Im Fokus stehen die räumliche Perspektivierung der Wahrnehmung und der konkrete Wahrnehmungsakt. Die Autorin macht die „geheimnisvolle Perspektivenwirkung“ durchsichtiger, die auch Autoren wie Flaubert bei der Lektüre von Cervantes verblüffte. Der Leser erhält einen vertieften Einblick in die neuartigen Erzählverfahren Cervantes', die Krisensituationen und Orientierungskrisen der Figuren reflektieren. Anstatt einer bloßen Opposition von Illusion und Desillusionierung zeigt die Verfasserin eine differenzierte Darstellung des Wahrnehmungsaktes als Prozess. Die Perspektivierung der Wahrnehmung in Cervantes’ Novellen führt zu einem kontextualisierten und subjektbezogenen Konzept von Wahrheit und Erkenntnis, das im Spannungsverhältnis zur 'gesteuerten Kultur' der spanischen Barockgesellschaft steht. Die Untersuchung bietet neue Einsichten für die Auseinandersetzung mit Cervantes, dem spanischen