'Menschliche Katastrophen als Stillleben', so wurden Bernhard Strobels Erzählungen von Kritikern beschrieben. Die Menschen auch in seinen neuen Geschichten sind entsetzlich genervt voneinander, und diese Gereiztheit steht jeweils knapp vor einer beängstigenden Entladung. Die lethargischen, schweigsamen (oder sprechfaulen?) Helden dieser Texte leben fast ausschließlich in ihren kleinen Häuschen, nicht in der Stadt, nicht am Land, sondern in der Region dazwischen; es gibt den kleinen oder größeren Garten, es gibt die obligatorische Garage, es gibt Nachbarn – und es gibt Kinder. Und das Ergebnis ist das schiere Gegenteil von Idylle: Vorwürfe, Aggressionen, Misstrauen, viel Unausgesprochenes und Geheimnisse, die Strobel, der 'Meister des Weglassens', seinen Personen ohnehin belassen würde, da er ihnen so wenig nahetritt, wie diese Personen Distanz zueinander halten. Die Groteske rund um diese Kleinstadthelden zeigt aber manchmal auch ihre komischen Seiten, etwa in der meisterhaften, in jedem Satz verblüffenden Brieferzählung, in der ein Rollstuhlfahrer in einem Krankenhaus seine Misanthropie nur allzu bereitwillig an den Nagel hängt.
Bernhard Strobel Bücher






Nach den Gespenstern
Erzählungen
Auch wenn der Titel es nahelegen könnte: schaurige Spukgeschichten wird man in Bernhard Strobels viertem Erzählband nicht finden – Gespenster und Doppelgänger hingegen schon, auch Heimsuchungen und manches Unerklärliche. Es geht um Konfliktsituationen in Familie und Partnerschaft sowie um Verlusterfahrungen und das Leben im Alter: Nach dem Tod seiner Frau zieht ein Mann in eine fremde Ortschaft und wird Teil eines Kriminalfalls; der Besuch einer Theateraufführung zieht ein ganz anderes Beziehungstheater nach sich; ein Mann in den Vierzigern macht am Grab seiner Frau eine Begegnung der gespenstischen Art; eine Jugendliche sucht ihren eigenen Weg, um die Großmutter zu trauern; wie ein schlechtes Omen lässt sich das mysteriöse Auftauchen von Steinen im Ehebett deuten … Strobel gelingt es auf unnachahmliche Weise, sowohl die Ausnahmesituationen des Lebens als auch das Alltägliche in Worte zu fassen. Feinfühlige, stichelnde und witzige Elemente baut er in die 13 Erzählungen ein; Wortgefechte werden ausgetragen oder der Stille Raum gegeben.
»Weil es sich so ergeben hatte, unterhielt Leidegger seit mehreren Monaten eine Affäre.« So lapidar beginnt Bernhard Strobels zweiter Roman über einen kriselnden Mann. Die Gewissensbisse nagen an ihm, weil er seitenspringend Frau Martina mit seiner Jugendliebe Kamilla hintergeht. Als »Affärenbetreiber« steht er sich selbst im Weg, und als selbstständiger Fotograf tritt er auf der Stelle. Männliche Stereotype sind Leidegger eigentlich zutiefst zuwider und doch stülpen sich ihm Klischees immer wieder über, die er am liebsten sofort von sich reißen will. Bernhard Strobel führt den »guten Mann Leidegger« durch die Manege. Er zieht die toxische Männlichkeit so wunderbar komisch durch den Kakao und buchstabiert gewitzt durch, wie sich einer immer weiter in die Patsche reitet.
»Herzlichen Glückwunsch, K.« Diese scheinbar harmlose Nachricht an den »Systemerhalter« Leidegger löst einen gehörigen Ehestreit zwischen ihm und Martina aus. Dabei könnte alles so schön sein im selbstgeschaffenen Vorstadtparadies mit der neugeborenen Tochter im trauten Heim. Die Palme im Vorgarten nicht zu vergessen! Der Unruhestifter im Leideggerschen Eden ist keine Schlange, das Unglück steckt nicht in einem Apfelbiss, es ist die besagte Nachricht, die eine Zeit voller Misstrauen einleitet. Die Beziehung des Ehepaars entwickelt sich allmählich zu einer Art Stellungskrieg aus Vorhaltungen und Ausflüchten. Unfähig mit Martina zu sprechen, redet sich Leidegger innerlich in Rage und wägt in Gedanken jeden Schritt und jede mögliche Reaktion ab. Er verrennt sich in geradezu irrsinnigste Schlussfolgerungen und Anschuldigungen, die in aller Überspitzung unglaublich absurd-komische Züge annehmen. Soll man nun darüber lachen oder weinen, wie sich Leidegger und Martina aneinander aufreiben? Ist es eine Ehetragödie oder eine beißende Komödie? So trocken und ironisch wie der Roman sich zeigt, könnte der Grat nicht schmaler sein.
Bernhard Strobel gibt mit diesem schmalen Erzählungsband seinen fulminanten Einstand in der Welt der Literatur. Keine Wohlfühlliteratur und kein Lifestyle, sondern ein knallharter, karger, spröder, unmodischer Realismus. Unter der Oberfläche lauert das Unausgesprochene, die Geheimnisse, Ängste und das Begehren, was die Lektüre, fast nebenbei, zu einer überaus spannenden werden lässt. 'Ich bewundere unendlich, was Bernhard Strobel da geschildert hat.' Dieter Moor, ORF
Nichts, nichts
- 115 Seiten
- 5 Lesestunden