Sevgi Soysal war eine meisterhafte Kritikerin sozialer Ungerechtigkeit, geschlechtsspezifischer Ungleichheit und Militarismus, deren Schriften für das Verständnis der Türkei seit den 1960er Jahren unerlässlich sind. Ihre frühen Werke hatten eine existenzialistische Neigung und betonten die Angst des Individuums angesichts der Gesellschaft. In späteren Werken verlagerte sich ihr Fokus auf die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft und auf verschiedene soziale Themen. Soysal sticht als eine Autorin hervor, die sich weigerte, die einschränkenden gesellschaftlichen Forderungen ihrer Zeit, insbesondere in Bezug auf das Geschlecht, zu erfüllen. Sie forderte furchtlos den Konformismus heraus, den sie in der Gesellschaft beobachtete, und deckte mit scharfer Intelligenz und beißendem Sarkasmus Schwachstellen und Fehler im herrschenden System auf. Ihre Protagonistinnen, die sich nicht scheuen, sich selbst zu hinterfragen oder gesellschaftliche Diktate anzuzweifeln, begeben sich oft auf Abenteuer und leben das Leben in vollen Zügen, auch wenn sie wissen, dass dies zu Fallstricken führen könnte.
In einer angespannten Situation während einer Polizeirazzia wird Oya, die sich in einem Männerkreis über Politik und Lebenspläne befindet, mit der Realität ihrer Verbannung konfrontiert. Ihre kritische Haltung gegenüber der Militärdiktatur in Adana hat sie bereits in Schwierigkeiten gebracht. Die Nacht im Gewahrsam weckt Erinnerungen an die Solidarität und den Widerstandsgeist der unterdrückten Frauen, die Oya inspirieren, ihre Stimme gegen die Ausgrenzung zu erheben. Die Geschichte thematisiert Mut, Gemeinschaft und den Kampf für Freiheit in einem repressiven Umfeld.
Als kleines Mädchen möchte Tante Rosa Zirkusreiterin werden, weil sie in einem Klatschblatt ein Foto gesehen hat. Später träumt sie von Ruhm und Reichtum, von Ansehen und einer großen Liebe. Die Welt muss einfach so sein wie in Groschenromanen, die sie bis ins hohe Alter verschlingt. Aber das Leben kommt ihr dazwischen. Das echte Leben, das so gar nichts mit Tante Rosas Träumen zu tun hat... Tante Rosa ist eine liebevoll erzählte Sammlung von Geschichten über die Kindheit in der Zeit des Krieges und der Erwachsenenzeit in der Nachkriegszeit. Es sind Geschichten über Tante Rosa, die Sevgi Soysal in episodenhaften Kapiteln aus dem Leben einer Frau erzählt, die entgegen allem männlichen Gehabe und den vorherrschenden chauvinistischen und paternalistischen Strukturen ihren eigenen Weg geht und macht, was sie machen will. Anders als bei anderen Geschichten der Autorin schreibt Sevgi Soysal in Tante Rosa nicht das Leben einer muslimischen Türkin, sondern das einer bayrischen Katholikin. Sevgi Soysal hat einen ganz besonderen Stellenwert in der türkischen Literatur. Mit ihrem Blick auf Politik und Gesellschaft, in einer Sprache, die nicht belehrend ist und nicht scheut zu hinterfragen, macht sie die weibliche Emanzipation in einer Zeit zum Thema, wo das Rollenbild der Frau noch stark an den patriarchalischen Mustern ausgerichtet ist.
"In Dawn, translated into English for the first time, legendary Turkish feminist Sevgi Soysal brings together dark humor, witty observations, and trenchant criticism of social injustice, militarism, and gender inequality. As night falls in Adana, köftes and cups of cloudy raki are passed to the dinner guests in the home of Ali - a former laborer who gives tight bear hugs, speaks with a southeastern lilt, and radiates the spirit of a child. Among the guests are a journalist named Oya, who has recently been released from prison and is living in exile on charges of leftist sympathizing, and her new acquaintance, Mustafa. A swift kick knocks down the front door and bumbling policemen converge on the guests, carting them off to holding cells, where they'll be interrogated and tortured throughout the night. Fear spools into the anxious, claustrophobic thoughts of a return to prison, just after tasting freedom. Bristling snatches of Oya's time in prison rush back - the wild curses and wilder laughter of inmates, their vicious quarrels and rapturous belly-dancing, or the quiet boon of a cup of tea. Her former inmates created fury and joy out of nothing. Their brimming resilience wills Oya to fight through the night and is fused with every word of this blazing, lucid novel."-- Provided by publisher