Mit neunzehn jahren – also vor beinahe vier jahrzehnten – bin ich von zu Hause ausgebüxt, um für ein paar Monate in Frankreich umherzutrampen. Ich habe nicht gewusst, wie lange diese Reise tatsächlich dauern würde. Während meiner Reise bin ich häufig alleine gewesen, habe viel über meine Kindheit nachgedacht und mich mit mir selber auseinandergesetzt. Das hat gutgetan. Und ich habe viel erlebt, bin an vielen orten tollen und weniger tollen Menschen begegnet. Die Reise hat mich nachhaltig geprägt. Der Gedanke, irgendwann einmal alles der Reihe nach in Form einer Erzählung oder eines Romans niederzuschreiben, hat mich nie losgelassen. Jetzt habe ich es getan, beinahe vierzig jahre später.
Dietmar Schlatter Bücher



Erzählungen und Kurzgeschichten fließen ineinander und münden in einen Roman. »Bisher habe ich das wohl Natürlichste auf unserer Erde, das Nacktsein, nicht als natürlich empfunden. Habe geglaubt, aus meinem modern gekleideten Zuhause heraus in eine barfüßige, längst vergangene Zeit gereist zu sein. Ihre unverhüllte Haut, ihre offenen, nassen Haare sind die Schlüssel, mit denen diese schönen Menschen meine in mir tief verborgene Weltenuhr aufziehen, sie zum Ticken bringen, und von nun an werden meine Zeiger verrückt vor und zurück über das Ziffernblatt all meiner Sinne sausen. Unentwegt. Vor und zurück. In einem in sich geschlossenen Kreis, der alle Zeiten vereint. Vergangenes. Gegenwärtiges. Zukünftiges.«
Maria kommt im Sommer in dem kleinen Bergdorf Pianz zur Welt – genau in dem Moment, als ihre Großmutter Eva in der Stube nebenan auf der Ofenbank liegend stirbt. Anna lebt unten in Aach, dem Hauptort des Tals. Sie ist Elisabeth, der Mutter des Kindes, bei der Geburt beigestanden. Über drei Generationen hinweg verwebt das Schicksal immer wieder die Lebenswege der ›Töchter‹ der beiden Familien und konfrontiert sie mit Themen, an denen Menschen zu zerbrechen drohen. Tabuwerte werden in Frage gestellt, Althergebrachtes verliert plötzlich seine Gültigkeit und Richtiges droht falsch zu werden. Welche Werte und Stützen gibt es noch, an denen man sich orientieren kann, in einer Welt voller Einschränkungen, Geboten, Neid und Verleumdungen – ohne selbst daran zugrunde zu gehen?