Im ländlichen Irak, am Tigris, überschreitet ein junges Mädchen das Verbot, sich vor der Verlobung auf eine Liebesaffäre einzulassen. Als ihr Geliebter unter Bomben stirbt und sie schwanger wird, ist ihr Schicksal besiegelt. Die strengen Konventionen der Gesellschaft setzen sich in Gang, während die Familienmitglieder wie stumme Schatten agieren, beschützt von Gilgamesch, dem mesopotamischen Helden, der das Gedächtnis des Landes verkörpert. Trotz der drückenden Traditionen bleibt niemand in der Lage, sich gegen das unausweichliche Schicksal zu erheben. Emilienne Malfatto, inspiriert von ihrer Erfahrung als Fotografin im Irak, gewährt den Leser*innen einen subtilen Einblick in eine geschlossene Gesellschaft, die von männlicher Autorität und einem strengen Ehrenkodex geprägt ist. Auf knapp 100 Seiten gelingt es der Autorin, die komplexe Realität des Landes zu erfassen, die patriarchalische Kultur zu schildern, acht Charaktere lebendig zu porträtieren und sogar den Tigris sprechen zu lassen. Malfatto vereint auf meisterhafte Weise Lyrik und Intensität in ihrem Schreibstil.
