François Jullien Bücher






Philosophie und Sinologie, François Jullien präsentiert hier einen Vortrag, den er vor Unternehmensführern und im Bereich des Managements gehalten hat. Einerseits ist die europäische Auffassung der Wirksamkeit mit der Erstellung von Modellen, sowie mit der Zweckbestimmung verbunden und hat die Aktion bis hin zum Heldentum zur Folge; andererseits stützt sich das chinesische Denken der indirekten und diskreten Effizienz auf das Potential der Situation und löst „stillschweigende Wandlungen“ aus, die ohne Aufsehen vonstattengehen und nicht einmal den Status eines Ereignisses haben. Anhand dieses Unterschieds soll die Natur der Effektivität untersucht werden, beziehungsweise, wie es der menschlichen Intervention gelingt, sich an die Neigung der Dinge anzuschließen, und wie sie in diese eingeht. Dieser Ansatz bemüht sich also, die Kunst, Situationen zu beeinflussen, und die Ausübung der Philosophie so wenig wie möglich voneinander zu trennen. Daraus ergeben sich Folgerungen für die Interpretation der Geschichte des 20. Jahrhunderts und für die künftige Geopolitik - und Geoethik. François Jullien ist Professor an der Universität Paris 7 und Leiter des Institut de la pensée contemporaine.
Es geht um Handlungsstrategien, um Kriegskunst, Diplomatie und Rhetorik. Wie man mit Leichtigkeit ohne große Mühe eine schwierige Lage meistert, wie man die potenzielle Situationsenergie ausnützt, wie man rechtzeitig die günstige Gelegenheit erkennt, wie man die Meinung des anderen zu seinen Gunsten beeinflusst.
Unsere Erfahrung, in Europa, wurde ausgehend von einer Trennung von Ebenen gedacht: lebenswichtig / moralisch / geistig. Selbst das grundlegendste Verb, 'nähren', wurde von der Spaltung in Konkretes und Symbolisches erfasst: seinen Körper nähren oder seine Seele nähren (bei Platon und den Kirchenvätern). Wenn man dem in China weit verbreiteten Ausdruck 'sein Leben nähren' folgt, wird man dazu geführt, zur Ungeschiedenheit dieser Ebenen zurückzukehren. (.) Der Weise hat keine Bestimmung und kein Verlangen; er 'bewegt' sich im tao, heißt es, 'wie ein Fisch im Wasser'. Dadurch werden einige unserer massivsten Grundbegriffe erschüttert, und zwar vor allem die der 'Seele' und des 'Körpers'. Wenn sein Leben nähren als begriffliche Einheit gefasst werden kann, dann in erster Linie, weil man von Grund auf in sich den 'Lebensatem' nährt. Es zeichnet sich also ein anderes Verständnis ab – das vom suspekten Mystizismus zu befreien ist, mit dessen Soße die Vertreter der 'persönlichen Entwicklung' uns übergießen wollen.
Mit dem Begriff des »Intimen« versucht Jullien eine Form der Liebe in den Blick zu bekommen, die sich erst im vergangenen Jahrhundert erschlossen hat und immer noch unscharfe Konturen aufweist. Das laute »Ich liebe dich« macht aus der Leidenschaft ein Ereignis, das sich schon bald verschleißen wird und zuvor noch nach einer Erklärung verlangt. Der diskrete Verlauf des Intimen bringt hingegen in aller Stille die Grenze zwischen dem Anderen und einem selber zu Fall, lässt aus einem gleichgültigen Außen in ein gemeinsam geteiltes Inneres kippen, lebt unerschöpf
Existierend leben
Eine neue Ethik
Es gibt keine kulturelle Identität
Wir verteidigen die Ressourcen einer Kultur
In der globalisierten Welt geht die Angst vor einem Verlust der kulturellen Identität um, und fast überall formieren sich die selbsterklärten Retter: In Frankreich gibt Marine Le Pen vor, sie »im Namen des Volkes« zu verteidigen, die AfD fordert in ihrem Grundsatzprogramm »deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus«, und die Identitäre Bewegung ruft gleich in mehreren Ländern mit aggressiven Aktionen zur ihrer Bewahrung auf. Doch gibt es überhaupt so etwas wie eine kulturelle Identität? In seinem neuen Buch zeigt François Jullien, dass dieser Glaube eine Illusion ist. Das Wesen der Kultur, so Jullien, ist die Veränderung. Er plädiert dafür, Bräuche, Traditionen oder eine gemeinsame Sprache als Ressourcen zu begreifen, die prinzipiell allen zur Verfügung stehen .
Die Idee eines „zweiten Lebens“, die François Jullien in Auseinandersetzung mit den Klassikern des chinesischen Denkens entwickelt, meint nicht Wiedergeburt oder neues Leben, sondern zeichnet einen Weg der stillen Verwandlung vor. In diesem Essay lässt François Jullien die Begründer des Taoismus in einen Dialog mit europäischen Denkern treten. Dabei entwickelt er die Idee eines „zweiten Lebens“: Diskret und ohne Bruch findet eine Verschiebung in unserem Leben statt – es trifft nunmehr seine eigenen Entschlüsse und gestaltet sich um. Es belebt sich neu, kommt wieder in Gang, richtet seine Vorhaben und Ziele aus und gibt bislang unergründet gebliebene Möglichkeiten frei. Indem wir unsere Freiheit schrittweise entfalten, aus der Wiederholung heraustreten und Klarheit erlangen, leben wir fortan nicht mehr bloß, sondern beginnen zu existieren.
Das Unbehagen am pathetischen »Ich liebe dich« ist dasselbe wie etwa am Wort »Beziehung«: Der Markt der Liebe ist in der westlichen Welt laut genug, um wesentliche Aspekte der Liebe, wie sie sich im Lauf der Geschichte bereits gezeigt haben, zu übertönen. François Jullien entwickelt nun einen Begriff der »Intimität« gegenüber dem der Liebe und die Idee einer zweiten, anderen Liebe, sogar eines zweiten, anderen Lebens, eines »seconde vie«, das in der Ab- lösung von den Wichtigkeiten und Besorgnissen des bisherigen entstehen kann. In einer »De-Koinzi- denz« zu den Anforderungen des bisherigen Lebens entstehen Möglichkeiten, das »Un-Erhörte« wahr- zunehmen. Julliens Theorien wurden in ihren einzelnen Ausarbeitungen in viele Sprachen übersetzt. Ihre Verbindung in diesem Bändchen macht den Grundzug und den inneren Zusammenhang des Jullien’schen Denkens erkennbar.


