Das befristete Dasein der Gebildeten
Benjamin und die französische Intelligenz






Benjamin und die französische Intelligenz
Dieses Buch ist keine Geschichte der politischen Philosophie, sondern eine Geschichte der politischen Philosophiegeschichte. Das ist ein großer Unterschied: Es werden nicht Systeme vorgestellt, sondern Diskursstrategien erkundet. Untersucht wird die Art und Weise, wie die politische Wissenschaft ihre Geschichte schreibt und zu diesem Zweck die politische Ideengeschichtsschreibung ggfs. auch zu politischen Zwecken mobilisiert. Insbesondere wird dadurch der Siegeszug des Liberalismus im okzidentalen Denken diskursanalytisch dargelegt.
Raulet betont die Relevanz und Aufgabe der politischen Philosophie gegenüber der von Habermas als Rationalitätsanker ins Feld geführten Soziologie einerseits sowie gegenüber den auf den Zerfall kollektiver Normen antwortenden Cultural Studies andererseits. Wie kann auf die ernüchternden Auswirkungen von 1968, die Durchsetzung des liberalen Individualismus, anders als mit der inzwischen dominanten Moralphilosophie geantwortet werden? In einer intensiven Auseinandersetzung mit den Theorien von Rawls, Habermas, Lyotard und Honneth formuliert Raulet die Bedingungen von politischer Öffentlichkeit in der Zeit des globalisierten Neoliberalismus. Nach wie vor bleibt der Knoten das Bekenntnis des Staatsbürgers, des Citoyen, zur kollektiven Sache dessen, wofür die vorliegenden Studien keine bessere Bezeichnung zu geben vermögen als „Republik“: die Angelegenheit aller – genauer: die allgemeine Sache, die so etwas schafft wie ein gemeinschaftliches Telos, wenn auch kein erklärtes gemeinschaftliches „Programm“.
Ernst Cassirers Erkenntnistheorie, Ethik und Politik im Spannungsfeld von Historismus und Neukantianismus
Diese Untersuchung verfolgt ein doppeltes Ziel. Sie setzt philologisch an und versteht sich zunächst als ein philologischer Beitrag zu den Cassirer-Studien. Zugleich und darüber hinaus spiegelt sie aber auch die langjährige Bemühung des Autors um eine Aktualisierung der Philosophie der symbolischen Formen im sogenannten postmodernen Kontext wider. In dieser Hinsicht gipfelt sie im vierten Kapitel, das Cassirers Demokratie-Konzept behandelt. Vorbereitet wird dieses zentrale Kapitel durch eine Darstellung der fast ununterbrochenen Auseinandersetzung des Neukantianers Cassirer mit der Historismusproblematik, auch und vor allem in seinen erkenntnistheoretischen Schriften. Wiewohl Cassirers Bekenntnis zum angelsächsischen Demokratieverständnis und zu dem damit zusammenhängenden Pluralismus nicht zu leugnen ist, darf man die tieferen Motive dieses Bekenntnisses nicht vernachlässigen. Vielmehr soll es mit deutschen Demokratiekonzepten der Zwischenkriegszeit in Verbindung gebracht werden, denen Denkmomente abgewonnen werden können, die uns ein Stück weit über die heutzutage alles überdeckende Entgegensetzung des angelsächsischen Liberalismus – sei er Rawls’scher oder neokommunitaristischer Provenienz – und des Republikanismus der französischen Citoyenneté hinaushelfen können.
Kulturphilosophie und Politik bei Walter Benjamin
Gérard Raulet verfolgt in seinem Buch den Wandel der politischen und sozialen Repräsentationsformen von dem antiken Ornamentum, das seinen Ort in der Rhetorik und in der Architektur hatte, bis zur Expressivität der zeitgenössischen „präsentativen“ Kultur. Er zeigt den engen Zusammenhang zwischen der symbolischen Ordnung, der Begründung politischer Legitimität und der jeweiligen Verfassung und Rolle der politischen Öffentlichkeit, von der Seite der repräsentativen Problematik erfasst: Dargestellt wird die Transformation der religiös verbürgten politischen Repräsentation in eine demokratische und darüber hinaus in die expressiven Formen der zeitgenössischen „präsentativen“ Kultur, die an den politischen Bewusstseinsbildungsprozessen zehrt.
Die Rollenwechsel des Ornamentalen in der Geschichte lösten stets große Debatten aus. Im Zusammenhang damit befreite sich das Ornament immer auf andere Art aus seinen überlieferten Funktionen des Schmucks und des Beiwerks (altgr. Parergon). Das Ornament wurde die Angelegenheit des Darstellens selbst. Diese Vorgänge der Ornamentgeschichte standen in Entsprechung zu bestimmten Gesellschaftskrisen. Solchen Entsprechungen ist vorliegendes Buch auf der Spur. Es stellt schließlich die Einsicht heraus, dass in den Ornamentumbrüchen das Ornament aus ordnender Funktion in ein Labyrinthisieren übergeht oder aus Orientierung in Desorientierung hineingesteigert wird. Beides, das Ornament um des Ornaments willen und ein Labyrinthisieren des Ornamentalen, stellt sich als ein wesentlicher Doppelzug unserer westlichen Gegenwartskultur heraus und als Aufklärungsfaktor gegenwärtiger Gesellschaftskrisen.
Die erste deutsche Republik sah sich vor eine historische Aufgabe gestellt, auf die sie nicht vorbereitet war: Um den Eintritt Deutschlands in die europäische politische Modernität zu leisten, mußte sie mit dem Historismus und mit dem Mythos des deutschen Sonderwegs abrechnen, der in allen Schichten und ideologischen Strömungen tief verankert war und Deutschlands Geschichtsbewußtsein und nationale Identität beherrschte. Der Band setzt sich zum Ziel, (1) die Ursprünge des Sonderweg-Gedankens und insbesondere seinen Zusammenhang mit dem Historismus zu erforschen; (2) seine Funktion in den politischen und philosophischen Diskursen der Mobilmachung (den «Ideen von 1914») zu untersuchen; (3) sein Fortleben in den politisch-philosophischen Konzepten der Republik zu hinterfragen; (4) seine grundlegende Bedeutung für die Auffassungen der «europäischen Schicksalsgemeinschaft» dazulegen; (5) eine Reflexion über das Fortwirken des Sonderweg-Gedankens in der deutschen Historiographie sowie in der politischen Kultur der Nachkriegszeit insgesamt – vor allem dort, wo es um Deutschlands Stellung in Europa geht – anzubahnen.