Das Spätmittellater, insbesondere das 15. Jahrhundert, findet seit längerem in der historischen Forschung erhöhtes Interesse: die der Reformation vorausgehenden Konflikte setzten am Niederrhein und in Westfalen um 1480 mit Auseinandersetzungen zwischen humanistischen und universitären Gelehrten ein; es ging um die Reform der Münsteraner Domschule und in der Folge auch der Artistenfakultät der Kölner Universität. Dieser Streit fand seinen Höhepunkt in den „Dunkelmännerbriefen“ von 1515 und 1517, in denen die Kölner Universitätslehrer und ihr Umfeld von den Humanisten verspottet wurden. Zu diesem Umfeld gehörte auch der in Lippstadt geborene Johannes Cincinnius (Kruyshaer; ca. 1485-1555). Bislang nur bekannt als Verfasser einer gedruckten Vita des Werdener klostergründers Liudger, werden hier erstmals umfassend seine Biographie und seine wissenschaftliche Tätigkeit aufgearbeitet. Hauptquelle ist dabei seine Bibliothek, deren umfangreiche Reste in Münster, Düsseldorf und Essen ermittelt werden konnten. Auf dieser Grundlage ließen sich seine Schul- und Universitätsausbildung in Münster und Köln ebenso rekonstruieren wie seine als Präbendar der Reichsabtei Werden an der Ruhr entstandenen Arbeiten vor dem Hintergrund des geistigen Umbruchs in der Reformationszeit untersuchen. Im Ergebnis läßt sich so der seit kurzem diskutierte „Niederrheinische Humanismus“ genauer umreißen.
Andreas Freitäger Bücher



Am Abend des 17. Mai 1933 verbrannten Mitglieder der Kölner Studentenschaft und des NS-Studentenbunds im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ Bücher und Schriften deutscher sowie ausländischer Autorinnen und Autoren vor dem Universitätsgebäude in der Claudiusstraße. Auch Werke des 1932 verstorbenen Kölner Staatsrechtlers Prof. Dr. iur. Fritz Stier-Somlo wurden betroffen. Gleichzeitig wurden aus den Bibliotheken der Universität Bücher von als „verfemt“ geltenden Autorinnen und Autoren aus rassistischen und ideologischen Gründen entfernt und in „Giftschränken“ versteckt. Die Wiederentdeckung wichtiger Teile der 1919 gegründeten Studentenbücherei in der Universitäts- und Stadtbibliothek zeigt, dass diese Bücher für die Nachwelt erhalten blieben. Der Band beleuchtet nicht nur die Ereignisse von Mai 1933, sondern auch die Jahre 1919 bis 1933. Trotz Modernisierungstendenzen in Stadt und Universität blieben rückwärtsgewandte Einstellungen lebendig, die sich unter den politisch und wirtschaftlich schwierigen Bedingungen radikalisierten. Die Nationalsozialisten konnten letztlich auf diese Faktoren aufbauen, die sie bis 1933 nicht beeinflussen konnten, was dazu führte, dass einige Lehrende und Studierende die von den Nazis bezeichnete „Machtergreifung“ begrüßten.
Als mit der Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Stadt Köln und dem Freistaat Preussen am 27./29. Mai 1919 die Universität zu Köln gegründet wurde, war sie die jüngste Hochschulgründung im Deutschen Reich. Nicht vergessen war die bis 1798 bestehende „alte“ Universität, doch war die Kölner Universitätstradition fast 120 Jahre unterbrochen. Mit der Beschaffung von Talaren und Insignien, der Übernahme der historischen Siegel sowie durch akademische Feiern schuf sich die Universität zu Köln innerhalb weniger Jahre eine „erfundene Tradition“, die auf die mittelalterliche Vorgängerin Bezug nahm. Die 1901 gegründete Handelshochschule wurde hingegen aus dem Traditionsbestand ausgeschieden. 1938 und 1988 beging die Universität zu Köln mit erheblichem Aufwand das 550- bzw. 600jährige Jubiläum der alten Universität. Ihr 50jähriges Bestehen 1969 beging sie hingegen nur in kleinem Rahmen. Der Band geht universitären Traditionslinien und -kulturen in hundert Jahren und ihren zeitgenössischen Motiven nach.