Sieben Sekunden Luft
Roman
Wie existieren wir in einem System, das ein Durchatmen beinahe unmöglich macht? Selah sitzt jeden Morgen auf der Veranda und wartet in die Stille hinein. Nach drei Monaten der Abwesenheit wird die ersehnte Einsamkeit zur Triebfeder für Vergangenes und Verdrängtes. Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen, ist Selahs Beziehung zur Mutter von Erwartungsdruck, Schweigen und Scham geprägt, was sie bis ins Erwachsenenalter begleitet. Als die Mutter im Sterben liegt und Selah längst ein Leben mit ihrer eigenen Familie führt, werden die noch immer klaffenden Wunden offenbar. Ungewollte Erlebnisse und Entscheidungen kleben wie Phantome an ihr. Es ist eine Bringschuld, auch wenn Selah nicht weiß, wem gegenüber. Glaubenssätze sind so tief verankert, dass deren Abschütteln zur Lebensaufgabe wird. In einem polyphonen Roman wird die Suche nach der eigenen Geschichte thematisiert. Wie verhält man sich, wenn das gesamte Universum einem die Existenz abzusprechen versucht? Man muss lernen, mit sich selbst und den eigenen Erinnerungen umzugehen, denen man kaum trauen kann, während man sich gesellschaftlichen Bedingungen wie Misogynie, Heteronormativität und sozialem Druck gegenübersieht. Luca Mael Milsch schreibt von Fragilität, die zur Stärke wird, von Ambivalenzen und der Sehnsucht nach einer selbstbestimmten Verortung in einer starren Struktur. Und darüber, was von uns übrigbleibt, wenn alles andere verschwindet.


