Detlef Brandes widmet sich im vorliegenden Band einem in der Historiographie zur „Sudetenfrage“ bisher kaum beachteten Aspekt – vor dem Hintergrund der internationalen und innertschechoslowakischen politischen Auseinandersetzungen um die Sudetendeutschen zeichnet er die Entwicklung in den Städten und Dörfern des böhmischen und mährischen Grenzgebiets sowie die Reaktionen der Bevölkerung „vor Ort“ nach. Auf der Grundlage umfangreichen Quellenmaterials werden neben dem Prozess der zunehmenden Radikalisierung der Anhänger der Sudetendeutschen Partei auch die Reaktionen der deutschen Sozialdemokraten und Kommunisten sowie der tschechischen Minderheit in den Grenzgebieten auf die Bedrohung durch den deutschen Nationalsozialismus und die „Henleinbewegung“ in den Jahren 1935 bis 1938 geschildert. Im Mittelpunkt der Darstellung stehen dabei die für die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen in den böhmischen Ländern zentralen Ereignisse des Jahres 1938, insbesondere die Zeit zwischen dem „Anschluss“ Österreichs und dem „Münchener Abkommen“.
Detlef Brandes Bücher







Josef Pfitzner, der 1901 in Petersdorf in ärmlichen Verhältnissen geboren wurde, machte eine steile Karriere, die aber schon im September 1945 am Galgen endete. Er studierte an der deutschen Universität in Prag und wurde dort auch zum Professor für osteuropäische Geschichte ernannt. Er war ein äußerst produktiver Historiker. Besonders seine Werke zum Großfürst Witold von Litauen und zum russischen Revolutionär Michail Bakunin werden heute noch zitiert. Als Rezensent und genauer Beobachter der tschechischen Historiografie gewann er die Anerkennung seiner tschechischen Kollegen. In den 1930-er Jahren entwickelte er sich jedoch zum Ideologen des Sudetendeutschtums und stellte sich in den Dienst der Sudetendeutschen Partei. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag im März 1939 wurde er zum stellvertretenden Oberbürgermeister von Prag ernannt. In dieser Funktion verfolgte er das Ziel, aus Prag eine deutsche Stadt zu machen. Seine rücksichtslose Politik sowie seine nationalsozialistischen und antisemitischen Reden machten ihn so verhasst, dass etwa 50.000 Prager seine Hinrichtung miterleben wollten.§§Das Buch ist entstanden aus einer Zusammenarbeit mit dem Prager Masaryk-Institut.
Lexikon der Vertreibungen
Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts
- 801 Seiten
- 29 Lesestunden
Das „Lexikon der Vertreibungen“ ist das erste Nachschlagewerk zu einem Thema, das in letzter Zeit sowohl in der Forschung wie in der breiten Öffentlichkeit heftig diskutiert worden ist. Es hat zum Ziel, den derzeitigen Stand der Forschung zur Geschichte der Deportationen, Zwangsaussiedlungen und ethnischen Säuberungen in Europa zwischen 1912 und 1999 zu bilanzieren. Als Ergebnis einer internationalen wissenschaftlichen Kooperation umfasst das Lexikon mehr als 300 Artikel von über 100 Experten aus verschiedenen Ländern Europas. Die betroffenen ethnischen Gruppen und Akteure, die wichtigsten Vertreibungs- und Aufnahmegebiete werden im Lexikon ebenso systematisch erschlossen wie zentrale Begriffe aus Wissenschaft und Recht sowie historische Ereignisse, Erinnerungskulturen und Geschichtspolitiken. Zur Erleichterung weiterer Recherchen sind jedem Lexikontext Literaturhinweise beigegeben. Das Werk ist zudem mit einem Personen-, Orts- und Sachregister ausgestattet.
Aus dem Vorwort von Hans Lemberg: „Detlef Brandes hat in einer detaillierten Gesamtdarstellung das Entstehen und die zunehmende Konkretisierung der Pläne verfolgt, die im Zusammenspiel von großen und kleinen Alliierten der Anti-Hitler-Koalition den “Transfer„ mehrerer Millionen von Deutschen insbesondere aus Polen und der Tschechoslowakei vorbereiteten und damit die ethnische Homogenisierung - bis hin zu der kulturellen Verarmung Ostmitteleuropas, die schon in der Okkupationszeit durch Hitlerdeutschland grundgelegt worden war - weit vorangetrieben.“
Das Buch ist das gemeinsame Werk eines russischen und eines deutschen Historikers. Nach einer kurzen Einführung über die Ansiedlung und die wirtschaftliche Konsolidierung im Zarenreich behandelt das Werk das Leben der deutschen Landbevölkerung in Sibirien unter sowjetischer Herrschaft. Den Mennoniten unter ihnen gestand das Regime in den zwanziger Jahren einen eigenen Verband zu, der die Wirtschaft und die Schulen dieser ethnokonfessionellen Gruppe förderte. Internationale Aufmerksamkeit erregten die Sibiriendeutschen, als sie im Herbst 1929 als Antwort auf die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft die Erlaubnis zur Auswanderung zu erzwingen versuchten. Das Werk ist zugleich ein Beitrag zur sowjetischen Politik gegenüber den „westlichen“ Nationalitäten sowie gegenüber den Bauern Sibiriens im Allgemeinen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland waren die Sibiriendeutschen wie die übrigen Rußlanddeutschen dann allerdings nicht nur den Repressionen ausgesetzt, die auch andere ethnische Gruppen trafen, sondern einer zusätzlichen Verfolgung als angebliche „faschistische Spione und Diversanten“ und potentielle Landesverräter.
Flüchtlinge und Asyl im Nachbarland : die Tschechoslowakei und Deutschland 1933 bis 1989
- 359 Seiten
- 13 Lesestunden
Neben Krieg, Besatzung und Vertreibung, den großen Konflikten zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei, sollte die Aufnahme von Flüchtlingen vor den Diktaturen des 20. Jahrhunderts in beiden Nachbarstaaten nicht vergessen werden. Erfahrungen hatten beide Republiken bei der Integration der Flüchtlinge aus dem entstehenden Sowjetstaat gewonnen. Nach 1933 suchten Deutsche, seit 1938 auch Österreicher, unter ihnen vor allem Juden Schutz in der demokratischen Tschechoslowakei. Nationalsozialistische Sudetendeutsche wählten den entgegengesetzten Weg. Seitdem die Kommunisten in Prag und Bratislava die alleinige Macht übernommen hatten, boten die Westzonen bzw. die Bundesrepublik Deutschland mehreren Wellen tschechischer und slowakischer Flüchtlinge Asyl. Es geht in den folgenden Beiträgen also um eine im Wesentlichen positive Seite der gegenseitigen Beziehungen trotz einiger negativer Details.
