Vilém Flusser Bücher
Vilém Flusser war ein Philosoph, dessen frühe Arbeiten sich mit dem Denken Martin Heideggers auseinandersetzten und vom Existenzialismus sowie der Phänomenologie beeinflusst waren. Die Phänomenologie spielte später eine Schlüsselrolle bei seinem Übergang zur Philosophie der Kommunikation und der künstlerischen Produktion. Flusser unterschied in der Geschichte eine Dichotomie zwischen der „Verehrung von Bildern“ und der „Verehrung von Texten“, was zwangsläufig zu Idolatrie und „Textolatrie“ führt. Seine in mehreren Sprachen verfassten Werke untersuchen vor allem theoretische Ansätze zur Kunst und zu den Medien.







Einer der erfolgreichsten Bände aus der absolute-Reihe wird neu aufgelegt – absolute Vilém Flusser erscheint im zweifarbigen, gewohnt benutzerfreundlichen Design. Nach einem Interview aus dem Jahr seines Todes (1991) bildet die von den Herausgebern verfasste Biografie den roten Faden in diesem Kompendium der besten Texte von Vilém Flusser. Fotos, Manuskripte und großzügig typografierte Zitatseiten laden dazu ein, sich dem Inhalt auf nichlineare Weise zu nähern. Ein Zugang, wie er diesem Theoretiker der Schriftkultur gebührt. Flusser hatte viel zu sagen über die Wechselwirkung zwischen Medien und Gesellschaft im digitalen Zeitalter. Bild, Zeichen, Schrift, Design, Architektur: Alles nahm er auf in seine Interpretation unserer Wahrnehmungswelt. Als einer der wenigen Denker sah er in den neuen Kommunikationstechnologien nicht den Untergang des Abendlandes, sondern analysierte nüchtern den Übergang ins post-alphabetische Zeitalter. Die Herausgeber Dr. Nils Röller, Professor am Department Kunst und Medien der ZHdK Zürich, und Silvia Wagnermaier, langjährige Mitarbeiterin im Vilém-Flusser-Archiv Berlin, zeichnen verantwortlich für die Zusammenstellung der Texte und haben die biografischen Essays für den Band verfasst. 'Will man den Apparaten auf die Schliche kommen, muss man versuchen, ihre sture Absurdität gegen sie selbst auszuspielen.'
Nachgeschichte
- 333 Seiten
- 12 Lesestunden
Der Eintritt der Nachgeschichte bedeutet, so Vilém Flusser, 'daß künftig nichts mehr erzählt, sondern nur noch aufgezählt oder bildlich geschildert werden wird: nur noch Statistiken oder elektromagnetische Bildaufzeichnungen gemacht werden. Und wenn nichts mehr erzählt wird, wird auch nichts mehr geschehen. Die Posthistoriker meinen, daß die an sie gerichtete Frage, was nach dem Ende der Geschichte komme, ebenso absurd ist, wie die an Scheherezade gerichtete, was denn nach der tausendundersten Nacht komme.' Flussers pointierte Studien beleuchten die Alltagswelt der posthistoire: vom Supermarkt als dem zeitgenössischen Marktplatz der polis über den amphitheatralischen Diskurs der Medien bis hin zum 'dummen Zeug' - den Automaten oder 'ultraschnellen Idioten'.
Im Jahre 1984 als Erweiterung der „Fotophilosophie“ auf das Gesamtgebiet der technischen Bilder erschienen, erweist sich Flussers Modell der telematischen Informationsgesellschaft als eine visionäre Philosophie des Internets. Ein Buch von atemberaubender Brisanz: „Alle Autoren, Gründer, Stifter, Mosesse, Founding Fathers und Marxe (inklusive dem Göttlichen Schöpfer) sind angesichts der kybernetischen Verknüpfung der Dialoge und angesichts der Copyshops redundant geworden.“
Vom Subjekt zum Projekt ist sicherlich einer der bedeutendsten Texte Flussers: Er faßt die zentralen Motive des Flusserschen Denkens zusammen, dessen Ursprünge sich hier wie in kaum einem anderen Text des Philosophen erkennen lassen. Flusser beschreibt die kulturelle Entwicklung der Menschheit als ein schrittweises Zurückweichen von der Lebenswelt, als zunehmende Entfremdung aus dem Kontext der den Menschen angehenden Dinge. Entscheidend für diese Entwicklung ist das mathematisch-technische Denken der Moderne, das Umkodieren aus Buchstaben in Zahlen: An die Stelle der buchstäblichen Gottesgesetze treten numerische Naturgesetze. Diese Diagnose steht zwar noch durchaus im Einklang mit den Analysen der phänomenologischen Schule, mit Husserl und Heidegger, aber sie führt Flusser im Gegensatz zu diesen nicht zum Kulturpessimismus oder zur Dämonisierung der Technik. Er weist vielmehr auf die neuen Möglichkeiten hin, die sich aus den wissenschaftlich-technischen Transformationen der Kultur der Moderne ergeben. In der Auflösung der sinnhaften Strukturen der Lebenswelt durch die mathematische Abstraktion steckt auch ein Moment praktischer Aufklärung: die Freiheit nämlich, alternative Sinnstrukturen zu entwerfen und uns die Welt und das menschliche Leben aus eigenen Stücken und nach unseren eigenen Gesetzen neu zusammenzustellen.
Zwiegespräche
Interviews 1967–1991
Standpunkte
Texte zur Fotografie
Vilém Flussers Essay 'Für eine Philosophie der Fotografie'. 1983 erschienen, löste im deutschen Sprachraum eine lebhafte Debatte über das Kulturphänomen Fotografie aus, an der sich Fluser auf mannigfache Weise beteiligte. In der Folge entstanden zahlreiche Exposées, Skizzen und Werkanalysen sowie vertiefende und weiterführende Essays und Vorträge, die der vorliegende Band nahezu vollständig dokumentiert. Er zeigt Flussers zentrales Interesse am Medium der Fotografie seit Ende der 70er Jahre und bestätigt ihn als einen der maßgebenden Kritiker und Philosophen diese Jahrhunderts.
Vilém Flusser beschreibt in seiner Autobiographie seine lebenslange geistige Gegenbewegung zum Sturz in den Abgrund, der sich dem Leben in diesem Jahrhundert auftat. Der Prager Jude Flusser, dessen Familie von den Nazis ermordet wurde, flüchtete 1938 über London nach São Paulo, wo er bis zu seiner Rückkehr nach Europa in den 70er Jahren lebte und lehrte. Der Verlust der vertrauten Welt durch den Terror des Faschismus, die existentielle Erfahrung der Bodenlosigkeit sucht Flusser denkend zu verwandeln in eine Freiheit des menschlichen Sich-Entwerfens, eine Freiheit, die jedoch immer um ihren Preis weiß. Die Autobiographie ist zugleich eine Annäherung an Flussers Denken, das seine große Anziehungskraft auch aus dem hier bezeugten persönlichen Erfahrungshintergrund bezieht.
Anlässlich seiner ersten Gastprofessur in Deutschland im Jahr 1991 wollte Vilém Flusser seine Kulturkritik im Angesicht der neuen Medien noch einmal grundlegend durchdenken. Eine Neufassung seines Hauptwerks, der Lehre von der menschlichen Kommunikation, sollte daraus hervorgehen. Es musste bei den Vorlesungen bleiben. Wenige Monate später starb er bei einem Verkehrsunfall. Im Vilém-Flusser-Archiv sind die Bochumer Vorlesungen zu einem konzentrierten Text redigiert worden. Er ist das kommunikologische Vermächtnis des Prager Kulturphilosophen.


