Graham Greene
2. Oktober 1904 – 3. April 1991
Henry Graham Greene (* 2. Oktober 1904 in Berkhamsted, Hertfordshire, Großbritannien; † 3. April 1991 in Vevey, Schweiz) war ein britischer Schriftsteller. Er begann als Journalist und arbeitete dann als Romancier, Dramatiker und Drehbuchautor. Viele seiner Romane, Erzählungen und Theaterstücke wurden verfilmt. Ferner schrieb er Reiseliteratur, Essays und Kinderbücher.
Graham Greene war das vierte von sechs Kindern des Lehrers Charles Henry Greene († 1943) und seiner Ehefrau Marian (auch Marion), geborene Raymond († 1959). Die Eltern waren Cousins ersten Grades. Zu ihrer einflussreichen Großfamilie gehörten Bankiers, Politiker und die Besitzer einer Brauerei, der Greene King Brewery in Bury St Edmunds in Suffolk, die Charles Greenes Großvater Benjamin Greene 1799 gegründet hatte. Über seine Mutter war Graham Greene ein Großneffe des Schriftstellers Robert Louis Stevenson.Der älteste Bruder Raymond († 1982) war Arzt und Bergsteiger. Er nahm an der Expedition zum Mount Everest 1933 teil. Einer der jüngeren Brüder, Hugh Greene (1910–1987), war Journalist und später Generaldirektor der BBC. Die Schulzeit begann im Jahr 1910 an der Internatsschule in Berkhamsted, deren Schulleiter sein Vater war. Greenes Kindheit war schwierig, weil er in einem Loyalitätskonflikt zwischen seinem Vater und seinen Mitschülern stand. In seiner Autobiografie berichtete Greene später, dass er als Schüler depressiv war und mehrere Suizidversuche unternahm, unter anderem durch Russisches Roulette. 1920 wurde er im Alter von sechzehn Jahren zu einer psychoanalytischen Behandlung nach London geschickt, die sechs Monate dauerte. 1922 war er für kurze Zeit Mitglied der Kommunistischen Partei. Er versuchte damals erfolglos, eine Einladung der Sowjetunion zu erreichen, um dorthin reisen zu können. Greene studierte Geschichte am Balliol College in Oxford. Ein Gedichtband mit dem Titel Babbling April wurde 1925 als erstes Werk veröffentlicht, aber kaum beachtet. Nach dem Studium arbeitete Greene vier Jahre lang als Journalist, zunächst beim Nottingham Journal, dann als sub-editor im Redaktionsstab der Tageszeitung The Times. In Nottingham begann er eine Korrespondenz mit der gleichaltrigen Katholikin Vivien Dayrell-Browning (* 1. August 1904–2003), die ihm geschrieben hatte, um ihn wegen eines falsch dargestellten Aspekts der katholischen Glaubenslehre aufzuklären. Greene war damals Agnostiker, dennoch kamen sich die beiden näher. 1926 konvertierte Greene mit 22 Jahren zur Überraschung seiner anglikanischen Umgebung zum Katholizismus, so dass eine Trauung möglich wurde. Am 15. Oktober 1927 heirateten Graham Greene und Vivien Dayrell-Browning im Londoner Stadtteil Hampstead. Der Ehe entstammt die Tochter Caroline Bourget-Greene (1933 – 2021) und der Sohn Francis Greene (1936 – 2022). Im Jahr 1929 veröffentlichte Graham Greene seinen ersten Roman The Man Within. Die positive Resonanz ermutigte ihn, die journalistische Tätigkeit bei der Times zu beenden und von nun an als Romanschriftsteller zu leben. Die beiden nächsten Versuche, The Name of Action (1930) und Rumour at Nightfall (1931), waren Fehlschläge. Der Durchbruch kam 1932 mit dem Roman Stamboul Train (Titel in den USA: Orient Express), der 1934 verfilmt wurde. Um sein Einkommen aufzubessern, schrieb Greene auch Beiträge für Zeitungen, zum Beispiel Filmkritiken für das Magazin The Spectator, in denen er Alfred Hitchcock verriss. Beim Magazin Night and Day war er Mitherausgeber. Einige Äußerungen über den US-Kinderstar Shirley Temple in seiner Besprechung des Films Wee Willie Winkie (1937) führten zu einem Verleumdungsprozess, der die Zeitschrift Night and Day in den Ruin trieb. Greene war unterdessen nach Mexiko gereist und wartete dort das Ende des Prozesses ab. In dieser Zeit begann seine Leidenschaft für das Reisen. In Mexiko reiften in ihm Ideen für jenen Roman, der oft als sein Meisterwerk bezeichnet wird: Die Kraft und die Herrlichkeit (The Power and the Glory, 1940). Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete Greene von 1942 bis 1943 in einer Sondermission des britischen Auslandsgeheimdienstes für das Außenministerium in Westafrika. In dieser Eigenschaft war er dem Doppelagenten Kim Philby unterstellt. Aus dieser Zeit stammen Greenes präzise Kenntnisse der verborgenen Seiten des Diplomatischen Korps, die er in seinen Romanen genussvoll ironisierend darstellte, etwa in Unser Mann in Havanna (1958). Er wurde von dem ewigen Gefühl der Langeweile getrieben, dem er entkommen wollte, wie er in seiner Autobiographie Ways of Escape erzählt. Das führte ihn zum Alkohol, der in vielen seiner Romane eine Rolle spielt, so beim „Schnaps-Priester“ in Die Kraft und die Herrlichkeit und in der entscheidenden Szene von Unser Mann in Havanna. Greene reiste in die Krisengebiete seiner Zeit, er stürzte sich in viele Affären und war auch ein häufiger Gast in Bordellen. Das Ehepaar Greene trennte sich 1947 wegen der zahlreichen Affären, blieb aber bis zu seinem Tod verheiratet. Graham Greene war als Schriftsteller außerordentlich produktiv, außerdem war er ein gefürchteter Verfasser von Leserbriefen. Sein erstes Theaterstück, The Living Room (1953), wurde ein großer Erfolg. Im selben Jahr belegte Giuseppe Kardinal Pizzardo, Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre, den Roman Die Kraft und die Herrlichkeit mit einem Bannspruch. Zeitlebens war Greene ein Kritiker der Amtskirche. In seinen reifen Jahren wurde Greene zu einem scharfen Kritiker der US-Außenpolitik und unterstützte unter anderem die Politik von Fidel Castro. In dem Roman Der stille Amerikaner (1955) übte er implizit scharfe Kritik an der US-Außenpolitik in Indochina. Das Buch wurde in den USA weithin als antiamerikanisch kritisiert. Zusammen mit anderen US-kritischen Äußerungen Greenes war es Anlass dafür, dass er von den 1950er Jahren bis zu seinem Tod 1991 praktisch durchgehend unter Überwachung durch US-Geheimdienste stand, was erst im Jahr 2002 bekannt wurde.In dem Roman Die Stunde der Komödianten von 1966 stellte Greene das damals real existierende Terror-Regime der staatlichen paramilitärischen Miliz Tontons Macoutes in Haiti dar und bezeichnete in einer Broschüre François Duvalier, den Diktator von Haiti, als „Folterer“. Daraufhin wurde er von Duvalier mit Verleumdungen verfolgt. Zu seinem großen Freundeskreis gehörten der Schriftsteller Evelyn Waugh, ein katholischer Konvertit wie Greene selbst, Omar Torrijos, der Präsident von Panama, und der Filmproduzent Alexander Korda. In dem Film Die amerikanische Nacht von François Truffaut (1973) spielte Greene eine stumme Rolle. Zwar war Greene in der Öffentlichkeit über vierzig Jahre lang präsent, sein Privatleben hielt er jedoch möglichst abgeschirmt. Das führte zu der Frage, ob er seine Arbeit für den Geheimdienst wirklich nach dem Zweiten Weltkrieg beendet habe. Im Orientexpress heißt es: „Ein Romanschriftsteller ist so etwas wie ein Spion.“ Rudolf Walter Leonhardt, der mit Greene persönlich bekannt war, sah in dem britischen Autor vor allem einen Individualisten, der für die Literaturwissenschaft und auch für die Jury des Literaturnobelpreises zu schwer einzuordnen war: Bezüglich Gruppen rief Greene denn auch zur Illoyalität auf: „Loyalität verpflichtet dazu, die verbreiteten Meinungen einzunehmen und verbietet, die Dissidenten zu verstehen. Illoyalität ermutigt dich, dir nichts Menschliches fremd sein zu lassen.“Seinen letzten Lebensabschnitt verbrachte Greene in der Schweiz, in Vevey am Genfersee. Er freundete sich mit Charlie Chaplin an, der ebenfalls in Vevey lebte, und besuchte ihn oft, bis Chaplin 1977 starb. Graham Greene starb 1991 im Alter von 86 Jahren an Leukämie. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof von Corseaux, Kanton Waadt. Seine Frau Vivien starb 2003 in Oxfordshire im Alter von 99 Jahren.