Sechs Menschen – sechs britisch- bizarre Schicksale: Da ist zunächst Graham, der – weit über vierzig – noch immer zu Hause bei seiner Mutter wohnt und gar nicht gut auf Mr. Turnbull zu sprechen ist, der Mama den Hof macht und ihr eine Hochzeitsreise auf die Kanarischen Inseln verspricht. Susan hingegen, Ehefrau des Vikars, schaut häufig mal zu tief ins Glas und verliebt sich in den indischen Gemüsehändler an der Ecke. Miss Ruddock zeigt uns, wie extensives Briefeschreiben dazu führen kann, dass man im Gefängnis landet, während die naive Mittdreißigerin Lesley von einem deutschen Filmproduzenten übers Ohr gehauen wird und die Hüllen fallen lässt. Muriel schließlich hat bis heute den Tod ihres Ehemanns nicht verwunden – ebenso wenig wie die hochbetagte Doris, die einen Kleinkrieg gegen ihre Putzfrau und Altenpflegerin führt und der ein Kräcker unterm Kanapee zum Verhängnis wird … Meisterhaft beherrscht Alan Bennett die Klaviatur von Tragik bis Komik, denn diese erst macht die Schicksalsschläge des Lebens (und auch diejenigen unter die Gürtellinie) erträglich – und Appetit auf mehr.
Alan Bennett Bücher







Alan Bennett erfindet kuriose Welten, die nach eigenen Regeln funktionieren: Er beschreibt vermeintlich ganz normale Menschen mit kleinbürgerlichen Moralvorstellungen, die vornehm sein möchten und doch ihren eigenen Begierden unterworfen sind. Da ist die Witwe Lorna, die an der Stelle, wo ihr Mann mit seinem Motorrad verunglückte, eine Art Schrein mit immer ausladenderer Gedenkstätte errichtet und Stück für Stück die Hintergründe des Unfalls aufdeckt. Oder die 42-jährige Mutter, die von der Erkenntnis überrascht wird, dass sie sich allmählich in ihren heranwachsenden Sohn verliebt. Der Altmeister Bennett spielt einmal mehr auf der Klaviatur von wohlwollendem Erstaunen bis zu schallendem Gelächter über die menschlichen Abgründe hinter den Heckenrosenrabatten.
»Der unwiderstehliche Reiz dieser Mini- oder Monodramen liegt vor allem darin, dass die Reden der Figuren immer gleichermaßen viel verdrängen und verbergen, wie sie selbst aussprechen, sodass wir stets herausgefordert sind, uns einen eigenen Reim darauf zu machen. Auch wenn die stärksten Szenen sich zu richtigen Enthüllungsakten steigern, die im Puppenheim die Lebenslüge aufdecken, ist der Tonfall nie moralisierend, sondern hält uns Leser auf Distanz: mehr Loriot als Ibsen.« Tobias Döring, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Sie sind wieder da, die skurrilen britischen Gestalten des Alan Bennett! Diesmal weiß der Meister der bitterbösen Satire zu berichten von einer geldgierigen Antiquitätenhändlerin, die sich einen echten Michelangelo durch die Lappen gehen lässt, einem Parkwächter mit dunkler Vergangenheit, einer Dame mittleren Alters, die in der Fußmassage ihre Erfüllung findet und dabei einen Fetischisten glücklich macht, einem zwielichtigen Schlachter, der nur zum Schein mit dem Wachhund Gassi geht, von Nächten in spanischen Gärten, von denen Mrs. Horrocks nicht träumen mag, und einer alten Dame, die auf das Glückwunschtelegramm der Queen zu ihrem Hundertsten wartet – und sich dabei an die Feldpost aus dem Krieg erinnert. Einmal mehr demonstriert Bennett seine Klasse: In wenigen Strichen entwirft er auf engstem Raum ganze Lebensläufe – wie etwa das Leben und Sterben der Peggy Schofield, einer unbedeutenden Bürokraft, Bennetts allererstem "talking head", deren Geschichte die Form seiner Prosamonologe begründet hat.
Vatertage
Beziehungsgeschichten
Auch Väter haben ihre Tage: Der Vater von Mr. Midgley triumphiert noch über sein Ende hinaus, der Vater von Mr. Bennett dagegen übertreibt seine Menschenscheu am Ende nun wirklich. Mr. Midgley hat den Tod seines Vaters schon oft herbeiphantasiert und sich selbst durchaus eine aktive Rolle dabei zugedacht. Am Ende läuft es aber doch ganz anders ab, als er es sich vorgestellt hat, und der Alte erweist sich ihm noch im letzten Moment als überlegen: Er schlägt genau dann ein letztes Mal die Augen auf, als der Sohn seinen Platz am Krankenbett mit dem im Bett der Krankenschwester vertauscht hat. Und seine letzten Worte zeugen von geradezu perfider Vaterliebe ... Von ganz anderem Kaliber ist dagegen Mr. Bennett sen., ein liebender Gatte, der keine Sekunde der Besuchszeit am Krankenbett seiner Frau verpassen möchte. Ein schüchterner Mann, der es nur unter gutem Zureden schafft, den Führerschein zu machen und sich in den Dschungel der Straßen zu stürzen.
Ein englisches Mittelklasse- Ehepaar ist sich nicht ganz sicher über seinen Platz in der Gesellschaft. Während er jegliche Form von »Angeberei« ablehnt, hegt sie gewisse gesellschaftliche Ambitionen, die aber schon im Diskussionskreis der örtlichen Kirche scheitern. Der wohl bekannteste britische Autor der Gegenwart entfaltet diese wahre Geschichte seiner Eltern zu einem hinreißend erzählten, komischen und anrührenden Familienkaleidoskop, das mehr als ein halbes Jahrhundert umspannt. Ergreifend ist besonders die Schilderung der dezenten, aber allumfassenden Liebe seiner Eltern, die es ohne einander kaum aushalten konnten. Wir lernen aber nicht nur seine Eltern und Großeltern kennen, sondern auch zahlreiche seltsame Onkel und Tanten, denen wir schon in vielen anderen Texten Bennetts begegnen konnten, darunter die keinem Abenteuer oder Drink abgeneigten Tanten Myra und Kathleen. Gerade durch diese Bezüge zu seinem Werk offenbart sich der Autor Alan Bennett zum ersten Mal auf ganz persönliche Weise. In einem Feuerwerk aus Anekdoten beschreibt Bennett das Leben seiner hilflos- schüchternen Eltern und ihrer anscheinend viel gewitzteren Verwandtschaft. Eine Familie wie andere – und doch gibt es einen Unterschied: Als seine Mutter plötzlich in eine heftige Depression verfällt, entdeckt Bennett ein seit Jahrzehnten gehütetes Familiengeheimnis.
Così fan tutte
- 96 Seiten
- 4 Lesestunden
Als die Ransomes aus der Oper nach Hause kommen, ist ihre Wohnung komplett leergeräumt. Wer hat hier so gründliche Arbeit geleistet, und vor allem: warum?
Eine Liebeserklärung an die Quenn und an die Literatur - wer hätte gedacht, dass das zusammenpasst?
Schweinkram
Zwei unziemliche Geschichten
»No sex please, we ’re British!« Wem diese Reaktion auf kontinentale Frivolitäten nie glaubhaft erschien, der findet bei Alan Bennett seine Bestätigung: In zwei neuen Geschichten berichtet er, wie verlässliche Untertanen der Königin auf unerwarteten Gebieten zu Entdeckern werden und sich Gelüsten hingeben, die wohl schon längst unter der Oberfläche brodelten. Bereits in früheren Erzählungen deutete sich an, dass Bennett über das Leben seiner Landsleute bestens Bescheid weiß. Hier aber widmet er sich mit Hingabe ihren dunklen Seiten und belegt anschaulich, dass britische Skurrilität und lustvolle Ausschweifungen – überraschende Wendung inklusive – einander nicht ausschließen.
Alan Bennett, Meister des trockenen britischen Humors und der feinen Gemeinheiten, erzählt von Miss Shepherds schrulligen Methoden, das Leben zu meistern, von den Besonderheiten der englischen Straßenbahnen und den trügerischen Lebensweisheiten, die von Büchern verbreitet werden. Eines Tages taucht Miss Shepherd mit ihrem Lieferwagen auf. Zunächst ist es eine »kleine« Anschubhilfe, die sie erbittet, aber es dauert nicht lange, und sie erobert mit ihrem maroden rollenden Zuhause einen festen Platz im Vorgarten – für die nächsten zwanzig Jahre. Überzeugt, dass sie die eigentliche »eiserne Lady« ist, erteilt sie der viel zu weichen Margaret Thatcher gute Ratschläge. Ihr Rezept zur Rettung Englands ist verblüffend einfach: Gerechtigkeit. Sie gründet die Fidelis-Partei und kandidiert für das Parlament. Statt Wahlbroschüren zu verschicken, schreibt sie ihre programmatischen Ansichten auf den Gehsteigen von Camden Town nieder.



