Das Buch untersucht die Entwicklung der künstlerischen Forschung seit den 1990er Jahren und deren Einfluss auf verschiedene Kunstfelder. Es verteidigt die Eigenständigkeit dieser Forschung gegen akademische Ansprüche und beleuchtet die Potenziale und Radikalität ästhetischen Forschens. Die Publikation enthält auch künstlerische Collagen von Sabine Hertig.
Schmerzen, körperliche Erschöpfung, Erosionen oder Spuren zeitlichen Verfalls und ähnliches verweisen auf Erfahrungen, die sich diskursiver Einholung nicht ohne weiteres fügen. Mit dem Formlosen, der bloßen Materialität oder dem Chaos assoziiert, widersetzen sie sich den generellen Begriffen des Textes und des Verstehens. Zudem verweigern sie sich ihrer Entschlüsselung als Konstruktion – im Sinne ihrer begrifflichen Bezeichnung und Unterscheidung – wie auch ihrer Inszenierung als einer ästhetischen Praxis, weil sie in allen ihren Hervorbringungen als eine nicht aufgehende Heterogenität immer schon mitschwingen. Denn es gibt keine Arbeit ohne den Rest, keinen Diskurs ohne das Nichteinholbare oder Undarstellbare, keine Technik ohne Versagen, kein Denken ohne die Widerständigkeit der Dinge, worin sie ebenso sehr verwickelt sind, wie sie diese verleugnen. Posthermeneutik ist der Versuch, diese ‚andere‘, ‚negative‘ Seite neu zu denken – und damit das mit einzubeziehen, was nicht Verstehen ist, aber ins Verstehen eingeht, was nicht Zeichen ist, aber notwendige Voraussetzung aller Zeichenprozesse bleibt, was nicht Sinn ist, aber die Bedeutungen stört, was nicht Medium ist, aber alle Medialität mitprägt.
Die Künste verwenden nicht nur unterschiedliche Medien, sie setzen sie auch unterschiedlich ein. Medientheorie kann sich darum nicht nur auf eine Theorie der jeweils zum Einsatz kommenden Techniken beschränken, sie muß sich vor allem in einer Theorie der Darstellung verorten. Dabei kreisen die meisten der hier versammelten Beiträge um die Thematik von Sagen und Zeigen. Beide kommen als disparate Modi medialen Darstellens in unterschiedlichen Medien wie Schrift, Bild, Ton oder Zahl zum Ausdruck. Entsprechend stehen im Zentrum der Beiträge sowohl die theoretische Begründung der strukturellen Differenz zwischen Sagen und Zeigen als auch die Beschreibung ihrer unterschiedlichen Leistungen in Literatur, Musik, bildender Kunst oder Architektur. Sie betreten damit das offene Feld zwischen Ästhetik, Semiotik und Darstellungstheorie einerseits und zwischen Kunst- und Medienphilosophie andererseits.
Untersuchungen zu einer Ästhetik des Performativen
312 Seiten
11 Lesestunden
Die Kunst unserer Zeit entzieht sich in weiten Teilen dem Zugriff einer klassischen, d. h. werkorientierten Ästhetik, die letztlich auf der Auffassung von Kunst als Sprache und Text beruht. Dieter Mersch setzt - im Rückgriff v. a. auf Benjamin und Lévinas - diesem Paradigma eine »performative Ästhetik« entgegen, die zwar auf zeitgenössische Phänomene der Kunst zugeschnitten ist, von dort aus aber den Bogen zurück zur »klassischen« Kunst schlägt und somit, im kritischen Dialog mit den avanciertesten Positionen der ästhetischen Theorie (Danto, Goodman), in nicht weniger als eine Theorie der Kunst von der Moderne her (mit den Exponenten Cage und Beuys) einmündet.
Lange vor den französischen Poststrukturalisten etabliert Wittgenstein eine Art sinnkritischen Anti-Diskurs. Grundproblem ist die Frage nach der Bedeutung philosophischer Aussagen. Sie wird zunächst im Tractatus dogmatisch durch eine abstrakte Ontologie beantwortet. Die Spätphilosophie hat dagegen experimentellen Charakter und ist vergleichbar der Mäeutik des Sokrates, jener Hebammenkunst, der die Fragen wichtiger sind als die Antworten. In diesem Sinn versammelt der vorliegende Band Gespräche mit einer Reihe der wichtigsten Vertreter der internationalen Wittgenstein-Forschung: mit Brian McGuiness, Stephen Toulmin, Jaakko Hintikka, Rudolf Haller, Joachim Schulte und J. C. Nyíri. Die Gespräche wurden in Kirchberg/Österreich anlässlich des internationalen Wittgenstein-Kongresses zum 100. Geburtstag des Philosophen geführt.
Es gibt keine Theorie, die nicht auf eine bestimmte Weise ästhetisch wäre. Auch Adorno hat den Entwurf seiner Ästhetischen Theorie nicht einfach als eine Theorie des Ästhetischen verstanden, sondern war sich der ästhetischen Implikationen von Theorie bewusst. Gleichzeitig haben wir es mit ästhetischen Gegenständen und Ereignissen zu tun, denen eine ästhetische Theorie immanent ist, die sich selbst als Kunst zeigt. So lässt sich von beiden Seiten - Theorie und Ästhetik - an jene etymologische Bedeutung von the ria anknüpfen, die das Theoretische als ein Sehen oder als eine Sichtweise versteht. Dieser Verbindung und Gleichzeitigkeit geht der Band nach. Im Fokus stehen Überlegungen, in denen die ästhetischen Implikationen von Theorie und die theoretischen Implikationen ästhetischer Ereignisse gleichermaßen zur Sprache kommen. Mit Beiträgen von Frauke Berndt, Elisabeth Bronfen, Sandra Frimmel, Julia Gelshorn & Tristan Weddigen, Fabienne Liptay, Dieter Mersch, Klaus Müller-Wille, Barbara Naumann, Boris Previsic, Dorota Sajewska, Sylvia Sasse, Rahel Villinger, Benno Wirz, Sandro Zanetti
Denken heißt: Urteile fällen, Unterscheidungen treffen – jedenfalls nach geläufiger Auffassung. Dann scheint es 'Denken' – bzw. den Ausdruck von Gedanken – nur in Bezug auf die Sprache, die Schrift oder den Text zu geben, nicht aber als ein Denken im Visuellen, als eine Denkform, die sich allein im Medium der Zeichnung, der Farbe, des Ikonischen ausdrückt und nichts anderes zeigt als ein Bild, eine gerahmte Fläche, eine Serie von Linien oder die Dichte von Materialien, von Figur und Grund. Der Band versammelt Essays, die den gegenteiligen Beweis antreten und die Behauptung aufstellen, dass visuelles Denken sich in Modi des Zeigens, des Zum-Erscheinen-Bringens, der visuellen Paradoxie oder des gemalten Kontrastes, der Gegensetzung von Farben und ihren Spielen sowie des in eine Zeichnung eingezeichneten Kommentars auszudrücken vermag. Mit Beiträgen u. a. von Ludger Schwarte, Emmanuel Alloa, Kathrin Busch, Barbara Wittmann, Johannes Bennke, Martin Beck, Mira Fliescher und einem künstlerischen Beitrag von Volker Hermes.
Ordo ab chao – ›Ordnung aus Chaos‹: diese dem Freimaurertum entstammende geheime Losung wandelt sich in den Regimen der Second Order Cybernetics zur Formel ›Order from Noise‹. Der Text verfolgt die theoretischen Inventare der Kybernetik von Kanälen, Informationen und zyklischen Kausalitäten bis zu rekursiven Systemen, um aus ihnen Leben, Bewusstsein, Lernprozesse oder die Konstitution des Sozialen gleichermaßen erklärbar zu machen. Auch wenn der Anspruch der Kybernetik als universales Paradigma heute verblasst ist, erscheint an ihr immer noch maßgeblich, dass sie die Entstehung von Ordnung aus den immergleichen mathematischen Modellen darzustellen sucht und eine Art ›Ontologie des Mathematischen‹ verficht. Was aber heißt es, wenn derart die Mathematik allein die Systeme der Gouvernementalität zu übernehmen scheint und nicht nur die Technik und ihre Apparate, sondern auch die Freiheit, das Utopische sowie die Politizität des Politischen überhaupt zu kontrollieren und zu steuern beginnt?