An einem warmen Frühsommertag des Jahres 1947 machen die Bewohner einer kleinen Provinzstadt vor den Toren von Paris eine verstörende Entdeckung: Am Ufer des Flusses liegt ein älterer Mann mit zertrümmertem Schädel, neben ihm sitzt reglos eine schöne Frau mit aufgelöstem Haar und entblößter Brust. Die Szene scheint eindeutig die Sprache des Verbrechens zu sprechen, doch keiner will glauben, was sich seinen Augen darbietet. Denn der Mann entpuppt sich als Goletz, ein ortsbekannter Arzt, und auch die Frau ist keine Fremde: Olga Arbelina lebt seit einiger Zeit in der kleinen Gemeinde russischer Emigranten, die sich vor einigen Jahren in der Stadt niedergelassen hatte. Gemeinsam mit ihrem heranwachsenden Sohn wohnt sie im Anbau einer alten Bierfabrik am Fluss und betreut die örtliche Bibliothek. Doch welches Geheimnis verbindet den alten Arzt und die russische Adlige? Während der Untersuchungsrichter sich bemüht, die Vorgänge aufzuklären, erhellt sich nach und die Geschichte von Olgas ungewöhnlichem Vorleben. In Sankt Petersburg geboren, von der Revolution im Jahre 1917 aus einem begüterten Leben vertrieben, heiratet sie schließlich den Fürsten Arbelin und geht mit ihm nach Frankreich. Aber als die Ehe scheitert, tauscht sie das ausschweifende Leben der Pariser Exilschickeria gegen das eintönige Exil in dem kleinen Provinzstädtchen. Sie hat alle Höhen und Tiefen ausgekostet, alle Spielarten der Liebe erprobt und doch nicht das Glück gefunden, das sie suchte. Hier, am vermeintlichen Tiefpunkt ihres Lebens, erfährt sie während des sibirisch kalten Nachkriegswinters 1946/47 jedoch, daß sie noch nicht am Ziel ist und es Grenzen gibt, die selbst sie noch nicht überschritten hat. Nürnberger Zeitung „Eine beunruhigende Geschichte, entsprungen einer fruchtbaren und sinnlichen Vorstellungskraft, die sich mit Kühnheit einem der gewaltigsten Themen nähert.“ Le Figaro littéraire
Andreï Makine Bücher
Andreï Makine schafft Erzählungen, die Welten verbinden und mit außergewöhnlicher sprachlicher Eleganz die tiefgreifenden Schnittstellen von Erinnerung, Kultur und Identität erforschen. Geprägt von seiner eigenen Erfahrung mit Exil und kultureller Dualität, taucht sein Werk tief in die emotionalen Landschaften menschlicher Verbindungen und die Suche nach Zugehörigkeit ein. Makines Prosa besitzt die seltene Fähigkeit, ferne Geschichten und intime Erfahrungen hervorzurufen, was ihn zu einer unverwechselbaren Stimme in der zeitgenössischen Literatur macht. Sein Schreiben ist ein eindrucksvolles Zeugnis des anhaltenden Geistes und des komplexen Geflechts des menschlichen Herzens.







Andrei Makine, in Sibirien geboren, lebt heute in Paris. In diesem Roman erzählt er von drei Jugendlichen, die am Rande der menschenleeren Taiga, in der Nähe eines Straflagers leben. Eines Tages sehen sie im Kino einen "Belmondo"-Film. Sie beginnen, vom Westen zu träumen, sie ahnen, daß es eine andere Form des Lebens geben muß als Planerfüllung und Wodkakonsum. Jedem der drei eröffnet die Begegnung mit Belmondo die Möglichkeit zur Flucht, die aber gleichzeitig den Verlust der Unschuld bedeutet...
Das französische Testament
- 332 Seiten
- 12 Lesestunden
In den Weiten der sibirischen Steppe will Aljoscha von seiner Großmutter alles über ihr versunkenes Atlantis hören, über Paris um die Jahrhundertwende.
Ein kleines Bergdorf im Kaukasus, in den 50er Jahren. Hierher ist Pawel mit seiner Frau geflohen, um in der Abgeschiedenheit der Berge in einem kleinen Tal ein unauffälliges Leben zu führen. Und hier verbringt auch ihr kleiner Sohn seine ersten Lebensjahre - bis zu jener Nacht, in der eine Freundin der Familie das Kind auf einer überstürzten Flucht vor den Schergen Stalins rettet. Doch dies ist erst der Beginn eines bewegten Lebens, das den einstigen Jungen auch als erwachsenen Mann kreuz und quer über den Erdball treibt - auf der Suche nach einer besseren Welt und schließlich der großen Liebe seines Lebens ...
Seit dreißig Jahren wartet Vera auf die Rückkehr ihrer großen Liebe. Nachdem er mit sechzehn in den Zweiten Weltkrieg gezogen war, bekam sie nie ein Lebenszeichen. Trotzdem hält ihm Vera in ihrem Dorf am Weißen Meer die Treue. Erst ein junger Schriftsteller aus Leningrad bringt Bewegung in ihr festgefrorenes Leben. »Ich entdeckte sie am anderen Seeufer: ein dunkler Strich inmitten der kalten, goldenen Glut. Ich sah ihr lange hinterher, verblüfft von einem einfachen Gedanken: Eigentlich weiß ich alles über diese Frau. Ihr ganzes Leben liegt vor mir ausgebreitet in dieser fernen Gestalt, die am See entlanggeht. Eine Frau, die seit dreißig Jahren, seit jeher, auf den Mann wartet, den sie liebt ...« Eigentlich will der junge Schriftsteller aus Leningrad nur eine Reportage über das »Erzengelland« Archangelsk am Weißen Meer schreiben. Doch dann verfällt er zusehends der Faszination für die geheimnisvolle Vera, die schon so lange auf ihren Geliebten wartet. Der junge Mann aus der großen Stadt will alles tun, um Vera für sich zu gewinnen. Bald findet er die Wahrheit über ihren verschollenen Geliebten heraus…
Eine berührende Geschichte von verlorener Zeit und gestohlenen Träumen. Mai 1941: Als seine Eltern von Stalins Schergen verhaftet werden, muss der hoffnungsvolle Pianist Alexej Berg fliehen. Er nimmt die Identität eines unbekannten toten Soldaten an und gerät in die Wirren des Zweiten Weltkriegs. Doch die Gefahr lauert nicht auf dem Schlachtfeld, wie Alexej bei seiner Rückkehr nach Moskau feststellt. Stilistisch brillant und historisch fundiert.
'Alles war so klar zu Beginn unseres Lebens. Unsere Kindheit schmeckte nach blitzenden Blechinstrumenten, vibrierte kriegerisch wie das gespannte Leder der Trommel. Wir marschierten mit einer samtigen Staubschicht auf den Beinen dem strahlenden Horizont entgegen. Wir wussten nicht, dass man uns wie Zirkuspferde nur im Kreis herumführte.' Arkadi und Aljoscha haben eine sowjetische Bilderbuchkindheit. Tag für Tag marschieren sie als Pioniere mit Trommel und Trompete durch die Steppe. Ihr Glück wird auch nicht dadurch getrübt, dass sie in ihrem Wohnblock nahe Leningrad immer wieder wegen ihrer Väter gehänselt werden. Diese sind ein ebenso unzertrennliches Gespann wie ihre Söhne, aber aus tragischen Gründen: Beide sind kriegsversehrt, und so trägt einer den anderen auf dem Rücken durch die Gegend. Die strahlende Welt von Arkadi und Aljoscha bekommt einen Riss, als ihre Väter sterben. In einem Pionierlager provozieren sie einen Skandal, der weitreichende Folgen haben wird.
„Ist der wahre Held nicht jener, der den Himmel betrachten kann, ohne zu erbleichen, und die Erde, ohne zu erröten?“ Nach „Das französische Testament“ und „Russisches Requiem“ vollendet dieser Roman Makines russisch-französische Trilogie. „Deinen Vater haben sie erschlagen wie einen Hund.“ Dieser Satz ist wie ein Todesurteil für den Jungen im Waisenhaus. Denn das Einzige, woran sich die Knaben in ihrem trostlosen Leben klammern können, ist die schöne Illusion, dass ihre Väter als Helden fürs Vaterland gestorben sind - wo doch die meisten als sowjetische Klassenfeinde hingerichtet wurden. Zum Glück für den jungen Ich-Erzähler lebt in der Nähe des Waisenhauses die Französin Alexandra, bei der der Junge immer wieder unterschlüpfen kann. Durch ihre sehnsüchtigen Erzählungen von Frankreich und ihre Bücher erhält der Erzähler eine veritable éducation française. Diese nostalgische Traumwelt wird seine Zuflucht vor den Qualen des Waisenhauses. In Alexandras Erzählungen begegnet er auch einer neuen Lichtgestalt: dem heldenhaften französischen Flieger Jacques Dorme, Alexandras großer Liebe, der im Zweiten Weltkrieg in der Eiswüste Sibiriens verschollen ist. Jacques Dorme wird für den jungen Ich- Erzähler ein Bürge für eine bessere Welt, ein edler Ritter im Flugzeug-Cockpit, der ihn die trostlose Realität vergessen lässt. Viele Jahre später begibt sich der Erzähler erneut auf die Spuren des Jacques Dorme. Doch die Suche nach dem Absturzort des Piloten gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ein modernes Heldenepos, eine wehmütige Liebesgeschichte und die Suche nach der verlorenen Identität: Makines neuer Roman riss die französische Presse zu Begeisterungsstürmen hin.
Aljoscha verbringt den Sommer bei seiner Großmutter Charlotte in Sibirien und entdeckt einen Koffer voller Erinnerungen aus Paris. Fasziniert von ihrer Vergangenheit um die Jahrhundertwende, kämpft er mit seiner Identität als Russe und Franzose. Erst in Paris findet er seinen inneren Frieden.



