Wiener Aktionismus. Viennese actionism. Band Volume 1.
Von der Aktionsmalerei zum Aktionismus Wien 1960-1965. From action painting to actionism Vienna 1960-1965
- 360 Seiten
- 13 Lesestunden
Günter Brus, ein Mitbegründer des Wiener Aktionismus, ist bekannt für seine aggressiv präsentierte Aktionskunst, die bewusst Konventionen und Tabus brach. Seine frühen Werke enthielten oft narrative Darstellungen seiner Performances und Fantasien, geprägt von einem düsteren Expressionismus. In seinen späteren Schriften wandelte Brus diesen Stil jedoch in einen romantischeren Expressionismus um, der häufig das Format des Märchens nutzte. Auf diese Weise untersuchte er die Absichtsgleichheit zwischen dem Zauber von Reise-Märchen und der liturgischen Mythologie, was seinem Werk eine einzigartige und fesselnde Qualität verlieh.






Von der Aktionsmalerei zum Aktionismus Wien 1960-1965. From action painting to actionism Vienna 1960-1965
Körperlich Verstörte, so heißt es, erfahren für ihr Leiden häufig einen gelinden Ausgleich, indem sie sich in anderen Sinnesbereichen besonders befähigen. Die Hauptperson Franz Lindner in Gerhard Roths Roman ›Landläufiger Tod‹ ist stumm. Er muß genauer als andere beobachten und nachdenken, und wenn er sich ausdrücken will, muß er es aufschreiben. In seinen Niederschriften entsteht ein poetisches Bild seiner Umgebung und unserer Zeit, in dem »alle Menschen und Geschichten aus der Luft gegriffen sind«. Lindner erzählt in diesem Buch ganz real Stationen seines Lebens, entwirft sich in ausschweifenden Episoden die Welt neu und zeichnet vor allem den verwirrend vielfältigen Mikrokosmos eines kleinen Dorfes auf, in dem es alles, nur keine Idylle gibt. Auswegloses Elend verbindet die Bewohner des kleinen südostösterreichischen Fleckens. »Roths Phantasie beginnt dort zu arbeiten«, schrieb ›Der Spiegel‹ zum ›Landläufigen Tod‹, »wo menschliche Erkenntnis aufhört. Sie füllt die Leerstellen, in die Wissenschaftler und Philosophen nicht eindringen können.« Roths Roman von der »Verrücktheit« Franz Lindners ist zugleich das Buch von dessen Hellsichtigkeit.
Der Wiener Aktionismus gehört ohne Frage zu den wenigen künstlerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts, die sich wirklich ins Äußerste vorwagten. Der Grund dafür war die Radikalität und Rücksichtslosigkeit der Künstler gegenüber allen gesellschaftlichen Normierungen, vor allem aber auch gegenüber sich selbst. Ausgehend von den widerwärtigen Reaktionen bis hin zu vernünftigen Einordnungen der Kunsthistoriker ist schon eine Menge darüber geschrieben worden. Wenn sich jetzt einer der herausragenden Protagonisten selber dazu äußert und wenn dieser Protagonist Günter Brus ist, dann wird niemand eine abgeklärte Darstellung und schon gar nicht so etwas wie Rechtfertigung oder Selbstinterpretation erwarten. Brus dreht vielmehr die Erinnerungs- schraube ins Fleisch der Geschichte, bis sie durchdreht. Was dabei am Ende herauskommt, sind Szenen zwischen Wiener Vorstadttheater und Grand Guignol. Mit scharfem Witz und reichlich Kalauern ruft Günter Brus noch einmal auf, wie er sich zwischen Hunger und Durst herausgefordert und ausgeliefert hat, nicht ahnend, ob der Weg in eine mönchische Selbsterkundung oder in Pulp Fiction führte. Die Komik, mit der das alles hier erzählt wird, ist Zeichen einer Distanz, die nichts mit Distanzierung zu tun hat. Immer wieder bleibt einem das Lachen wie eine Gräte im Hals stecken.
Als Günter Brus 1969 nach West-Berlin ›auswanderte‹, lag die Aktion noch kein Jahr zurück, deretwegen er zu einer längeren Haftstrafe verurteilt worden war. Er zog es vor, sich zu entziehen, und zog mit Anni, seiner Frau, und Diana, der Tochter, in den Westen der damals ehemaligen deutschen Hauptstadt. Hier war ja schon so mancher österreichische Künstler aufs Beruhigendste gestrandet – H. C. Artmann, Oswald Wiener, Gerhard Rühm und viele andere. Das beliebte Lokal von Wiener trug also nicht von ungefähr den Namen ›Exil‹, und es wurde so neben der ›Paris-Bar‹ von Michel Würthle zum Treffpunkt für Flüchtlinge und deren Gesellen. Günter Brus versuchte, von seiner sehr tatkräftigen Frau mehr als unterstützt, ein Leben zwischen Bohème, Armutsgrenze und künstlerischer Entschlossenheit zu führen, das dann nahezu ein Jahrzehnt anhielt. Davon und von all denen, die ihm dort begegnet sind, erzählt Brus hier in seinem unnachahmlichen Tonfall hautnah aus der heiteren Distanz dessen, der alle Attacken künstlerisch triumphal und menschlich souverän überstanden hat. Es ist der dritte Band seiner Autobiografie. Der Mythos West-Berlin war ja einmal Realität und für viele eine Art rettender Lebenszwischenaufenthalt. Günter Brus kann es bezeugen.
Werke aus der Sammlung Essl
Körperlich Verstörte, so heißt es, erfahren für ihr Leiden häufig einen gelinden Ausgleich, indem sie sich in anderen Sinnesbereichen besonders befähigen. Die Hauptperson Franz Lindner in Gerhard Roths Roman Landläufiger Tod ist stumm. Er muß genauer als andere beobachten und nachdenken, und wenn er sich ausdrücken will, muß er es aufschreiben. In seinen Niederschriften entsteht ein poetisches Bild seiner Umgebung und unserer Zeit, in dem »alle Menschen und Geschichten aus der Luft gegriffen sind«. Lindner erzählt in diesem Buch ganz real Stationen seines Lebens, entwirft sich in ausschweifenden Episoden die Welt neu und zeichnet vor allem den verwirrend vielfältigen Mikrokosmos eines kleinen Dorfes auf, in dem es alles, nur keine Idylle gibt. Auswegloses Elend verbindet die Bewohner des kleinen südostösterreichischen Fleckens.»Roths Phantasie beginnt dort zu arbeiten«, schrieb ›Der Spiegel‹ zu Landläufiger Tod , »wo menschliche Erkenntnis aufhört. Sie füllt die Leerstellen, in die Wissenschaftler und Philosophen nicht eindringen können.« Roths Roman von der »Verrücktheit« Franz Lindners ist zugleich das Buch von dessen Hellsichtigkeit.