Der Gedenkband für den verstorbenen Politikwissenschaftler Prof. Dr. Alexander Thumfart beleuchtet die komplexen Wechselwirkungen zwischen Demokratie, Transformation und Nachhaltigkeit. Er thematisiert, wie demokratische Partizipation sowohl förderlich als auch hinderlich für den ökologischen Umbau sein kann und wie politische Transformationen, wie die deutsche Wiedervereinigung, Teilhabe einschränken und Machtungleichheiten verstärken können. Thumfarts Lebenswerk, das sich um die Verbindung dieser Themen und die Förderung eines dialogischen Miteinanders drehte, dient als Inspiration für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Herausforderungen.
Wem gehören Niemandsländer? Bei der Debatte um individuelles, gemeinschaftliches oder staatliches Eigentum an Grund und Boden konkurrieren seit der Antike theologische, philosophische, juristische und soziologische Argumente. Auch in der Literatur sind Niemandsländer ein Modell, Machtverhältnisse, Legitimation von Besitz, Autonomie und Zugehörigkeit zu reflektieren.0Niemandsländer sind Räume begrenzter Staatlichkeit und damit nur schwach oder gar nicht reguliert. Sie gelten den einen als gefährliche Landstriche, den anderen als Gebiete, die man ungestraft erobern darf. Verlassene Gegenden, Stadtbrachen, verwilderte Gärten und aufgelassene Industriegelände werden als Niemandsland bezeichnet und damit zu faszinierenden Orten. Sie bergen ein Risiko, wecken aber auch Neugierde und Kreativität, ziehen Flaneure, spielende Kinder, Verliebte, Dealer, Diebe, Künstler und Phantasten an und erlauben probeweise das Aussetzen der Regeln des Alltags. Im ersten Teil ihres neuen Buches steckt Dorothee Kimmich das kulturtheoretische Feld ab, in dem über Eigentumstheorien, Kolonialgeschichte, Pufferzonen, Bannmeilen, Kontaktzonen und Freiräume verhandelt wird. In einem zweiten Teil zeigen die Analysen literarischer Texte - u. a. von Johann Wolfgang von Goethe, Adalbert Stifter, Robert Musil, Franz Kafka, Walter Benjamin, Oskar Loerke, Michel Leiris und Chinua Achebe - wie Erzählungen die komplexen Verhältnisse um Grund und Boden in Narrative von Heimat und Auswanderung, Zugehörigkeit und Fremde, Imagination und Spiel, Grenzübertritt und Gefangenschaft übersetzen. Sie gestalten den prekären Status, den oft widersprüchlichen Charakter, die diffusen Eigenschaften und widerstrebenden Gefühle, die zum Niemandsland gehören
Der 29. Band der Reihe zum Würth-Literaturpreis versammelt Texte aus dem Wettbewerb unter dem von Håkan Nesser gestellten Thema Ein gelber Schuh. In seinem Vorwort setzt der weltberühmte Kriminalautor das Thema unter dem Titel Abweichung selbst in eine Geschichte um. »Es überkam sie ein plötzliches Schwindelgefühl, das nichts mit der Hitze zu tun hatte. Schloss für ein paar Sekunden die Augen und als sie sie wieder öffnete, merkte sie, dass das Mädchen sie betrachtete und etwas Gelbes in der Hand hielt. – Sie schaute herab und sah, dass es ein Schuh war. Ein kleiner, gelber Kinderschuh. Woher sie den hatte, war schwer zu sagen, aber vielleicht hatte sie den unter ihrem Kleid versteckt gehabt. Auf jeden Fall hatte sie die Puppe auf dem Boden abgelegt und stand nun da und reichte ihr einen gelben Kinderschuh, von der Größe her wohl für ein drei- oder vierjähriges Kind.« Diese Anthologie enthält neben den beiden Siegertexten Schon gut von Carola Gruber (1. Preis) sowie Der Ausländer (2. Preis) von Yael Inokai weitere zwölf Texte aus dem Wettbewerb, die sich auf ihre jeweils ganz eigene Art mit dem Preisthema auseinandersetzen und einen breiten Querschnitt der eingereichten Texte geben.
Der vorliegende Band enthält die Vorlesungen der Tübinger Poetik-Dozentur 2017, die unter dem Titel »Poetics of Crime – Die Poetik der Kriminalliteratur« stand. Kriminalroman, Detektivgeschichte, Roman Noir und Thriller galten lange als Trivialliteratur. Dabei rechtfertigen weder die Literaturgeschichte noch die gegenwärtige Literaturlandschaft ein solches Urteil. Eine ›Poetik‹ der Kriminalgeschichte kann bis in die griechischen Mythen – bis zu Hermes, dem Dieb, und Ödipus, dem Mörder, zu Medea und Herakles, bis in die biblischen Geschichten von Kain und Abel, Joseph und seinen Brüdern, Lot und Judas hinein verfolgt werden. Diebstahl, Mord, Entführung und Vergewaltigung bilden die Plots von Mythen und ihren Variationen. Dabei geht es um die Zerstörung von Ordnung, ihre Wiederherstellung, um Familienzwist, um Landnahme und Betrug, Entführung, Erpressung und immer wieder um Mord. Es geht um die Konkurrenz verschiedener Ordnungssysteme, um Macht, Machterhalt und deren Legitimität. Mit Friedrich Ani, Arne Dahl, Håkan Nesser und Wolfgang Schorlau waren 2017 vier renommierte Vertreter der modernen Kriminalliteratur Gäste der Tübinger Poetik-Dozentur, die in ihren in diesem Band abgedruckten Vorlesungen Einblick in ihre Poetik und das eigene Schreiben geben.
Während die Differenz in den Theoriedebatten des 20. Jahrhunderts Schule
machte, versammelte die Geschichte der Ähnlichkeit, von der unser Erkennen und
Urteilen abhängt, nur wenige Anhänger um sich und war selten Ausgangspunkt
kulturtheoretischer Diskussionen. Dabei ordnen wir die Welt, die Dinge,
Farben, Töne und Erinnerungen, Gesichter und Geschichten, indem wir
Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten wahrnehmen und bewerten.
Ähnlichkeitsoperationen enthalten ein Urteil und verbinden damit Erkenntnis
und Interesse. Ohne solche Verfahren der Annäherung wären wir weder in der
Lage zu erkennen noch zu kategorisieren oder uns an etwas zu erinnern. Und
ohne die Fähigkeit, etwas oder jemanden zu imitieren und nachzuahmen, erlernen
wir weder eine Sprache noch Klavierspielen, weder Radfahren noch Seilspringen.
Wiedererkennen, Zuordnen und Urteilen sind grundlegende Fähigkeiten, mit denen
wir uns im Alltag orientieren. All diesen Operationen und Praktiken liegt
einerseits das Wiederkennen und Abgleichen von Ähnlichkeiten zugrunde,
andererseits aber auch eine Entscheidung darüber, welche Kriterien die
angenommene Ähnlichkeit erfüllen muss. Ähnlichkeiten nicht zu erkennen, heißt
daher oft, sie bewusst zu leugnen, etwa wenn kulturelle Zugehörigkeit oder
eben Fremdheit und Alterität behauptet werden. Werden Ähnlichkeiten zugunsten
von Differenzen und Oppositionen übersehen, so ist dies nicht nur ein
erkenntnistheoretisches, sondern vor allem ein politisches Problem. Die
Gleichheit vor dem Gesetz und die Ähnlichkeit der Kulturen ergänzen sich und
machen deutlich, dass radikale Alterität keine Gegebenheit, sondern eine Frage
der Perspektive ist. Ins Ungefähre stößt nicht in entlegene oder unbekannte
Regionen des Denkens vor, sondern führt zu einem theoretisch wie praktisch
anschlussfähigen Konzept, das in der Moderne zwar immer wieder thematisiert,
dann aber doch folgenreich übergangen wurde.
Der 27. Band zum Würth-Literaturpreis 2016 versammelte Texte aus dem Wettbewerb unter dem von Kathrin Passig und Clemens Setz gestellten Thema Kurz-Info Schränkung und Blattstärke. Beide beschreiben in ihrem gemeinsam online geschriebenen Vorwort, was ihnen zum Thema einfällt. „Prosaschreiben wird gern mit Langstreckenlauf, Gärtnern und ähnlichen Dingen verglichen. Wir könnten hier daher leicht billige Parallelen von Schreiben und Sägen behaupten, beides ist eine Arbeit für Geduldige. Aber wie Politik nicht vom Erzeugen von Löchern handelt, geht es auch beim Schreiben selten darum, aus einem Teil zwei zu machen (es sei denn, der Verlag verlangt das aus wirtschaftlichen Gründen). Was einmal durchgesägt ist, lässt sich nicht spurlos wieder zusammenfügen. Das ist beim Schreiben anders als in der Schreinerei, jedenfalls seit der Einführung von Textverarbeitungssystemen. Schreiben ist, wenn überhaupt, wie vorsichtiges Sägen auf der atomaren Ebene, auf der sich alles Zerteilte bereitwillig wieder vereinigt. Oder wie ein harmloser Gruselfilm für Molche: Das Bein wächst ja wieder nach.“ Diese Anthologie enthält neben den drei Siegertexten Fuge Null und andere Einrichtungsideen von Kai Metzger (1. Preis), Sägebild und Seelenbild von Stefan Hkabermann (2. Preis) und Säge, Wald und Untergang von Klaus Gottheiner (3. Preis) elf weitere Texte aus dem Wettbewerb, die sich auf ihre jeweils ganz eigene Art mit dem Preisthema auseinandersetzen und einen breiten Querschnitt der eingereichten Texte liefern.
Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften dient als kritisches Medium für Diskussionen über »Kultur«, die Kulturwissenschaften und deren methodische Verfahren. Ausgehend vom internationalen Stand der Forschung sollen kulturelle Phänomene gleichermaßen empirisch konzis wie theoretisch avanciert betrachtet werden. Auch jüngste Wechselwirkungen von Human- und Naturwissenschaften werden reflektiert. Diese Ausgabe untersucht das soziale Phänomen der Diskriminierung. Was bedeutet Diskriminierung? Worauf basiert sie? Wie werden diskriminierende Merkmale identifiziert? Die Untersuchungen verbinden verschiedene Perspektiven, solche aus der Literatur- und Kulturwissenschaft, der Psychologie, der Medizin und der Sportwissenschaft.
Broschüre zum Festakt in der Unsiversität Tübingen. 20 Jahre Tübinger Poetik Dozentur und Würth Literaturpreis. Mit Grußworten von Prof. Reinhold Würth, Prof. Bernd Engler und Prof. Dorothee Kimmich.
Es gibt Rassismus – auch wenn wir uns seit vielen Jahrzehnten im Kampf gegen ihn wähnen. Es gibt Rassismus – in Ferguson, in North Charleston, an der Harvard University, in den Pariser Banlieues. Es gibt Rassismus in unseren Köpfen – auch in Köln zwischen Bahnhof und Dom. Aber es gibt keine menschlichen Rassen. Was also ist Rassismus? Dieses Buch versammelt alle international relevanten Antworten, historische und heute aktuelle, auf die schwierige Frage, und zwar aus einer kritischen Perspektive: Die hier zusammengestellten theoretischen Texte helfen, den Rassismus konsequent zu bekämpfen, indem sie ihn exakt definieren und beschreiben. Denn der Rassismus ist kein einfacher Gegner.
Am letzten Tag der Tübinger Poetik-Dozentur 2014 hatten Chika Unigwe und Priya Basil das Thema zum 26. Würth-Literaturpreis bekanntgegeben: In der Fremde zu Hause. In ihrem Vorwort zu diesem Band beschreibt Priya Basil, was das Thema für sie persönlich bedeutet: 'Mein Leben lang habe ich versucht – nicht immer erfolgreich –, mit dem Gegensatz von Zuhause und Fremde klarzukommen. Zunächst als heranwachsende Inderin in Kenia, dann in England und später in Deutschland. Auch meine engste Familie hat sich verstreut: Mein Vater und Bruder leben heute in Voi, nahe dem Tsavo-East-Nationalpark im Osten Kenias, meine Mutter lebt in London, meine Schwester in Australien. Es fällt mir schwer, auf die Frage 'Wo ist Zuhause?' eine Antwort zu finden. Ich vermute, sie liegt in genau diesem Status der ewigen Ausländerin. 'Das Wer zählt, nicht das Wo', sagte eine Freundin einmal und brachte damit eine weitere Definition von Zuhause auf, die mir gefällt.' Diese Anthologie enthält neben den beiden Siegertexten Konstantin West und ich schauen uns eine Wohnung an, in die wir niemals einziehen werden von Katharina Hartwell (1. Preis) und Tatort von Doris-Anna Schilz (2. Preis) zwölf weitere herausragende Texte aus dem Wettbewerb, die sich auf ihre jeweils ganz eigene Art mit dem Preisthema auseinandersetzen und einen breiten Querschnitt der eingereichten Texte liefern.