Vom Ende mittelalterlicher Buchtradition und vom Beginn moderner Historiographie: Gustav Seibt verbindet die Literatur- mit der Geschichtswissenschaft und entdeckt in der Chronik des Anonimo romano ein frühes Zeugnis historischen Bewusstseins.
Gustav Seibt Bücher






Im September 1808 begegnen sich in Erfurt zwei Männer, die Weltgeschichte geschrieben haben – der eine ist der größte Dichter seiner Zeit, der andere der mächtigste Mann Europas. Goethe trifft auf Napoleon. Es entspinnt sich ein Dialog unter Genies, der durch ein Wort Napoleons – „Vous êtes un homme“ – unsterblich geworden ist. Gustav Seibt schildert in seinem historischen Essay die Geschichte dieser Begegnung zweier Jahrhundertmenschen und entfaltet zugleich ein Panorama der napoleonischen Epoche.
In außerordentlichen Zeiten
Politische Essays
Gustav Seibt erweitert in brillant formulierten Essays für die «Süddeutsche Zeitung» den Horizont seiner Leser, indem er das Besondere des Augenblicks in größere Zusammenhänge einordnet und historische Tiefendimensionen hinzufügt. Seine luziden Texte bieten ein befreiendes Gefühl, die „Lage“ besser zu verstehen und entkommen so der temporalen Platzangst der Zeitgenossenschaft. In „In außerordentlichen Zeiten“ vereint Seibt seine besten Texte zu einer Vermessung der Gegenwart, die Themen wie den Umgang mit Flüchtlingen und das schwierige Verhältnis zu Russland behandelt. Als einer der angesehensten deutschen Publizisten ist Seibt für seine humanistisch-liberale Grundhaltung und weitgespannten historischen Kenntnisse bekannt. Er gelingt es, über tagespolitische Stellungnahmen hinaus das Grundsätzliche einer Situation aufzuzeigen und durch historische Betrachtungen ein besseres Verständnis für aktuelle Geschehnisse zu ermöglichen. Dieser Band bietet die Gelegenheit, sich in makelloser Prosa über die Grundfragen unseres Zeitalters – wie Flüchtlinge, Islam und Islamismus, die Fliehkräfte der EU und das Verhältnis zu Russland – zu informieren. Seibt liefert eine brillante Tour d’Horizon durch unser politisches Zeitalter.
Goethe war kein Freund der Französischen Revolution. Er nannte sie „das schrecklichste aller Ereignisse“ und erklärte: „Ihre Greuel standen mir zu nahe.“ Gustav Seibts fulminante Untersuchung zeigt, wie wörtlich das zu verstehen ist, und führt uns mitten hinein in die Belagerung von Mainz 1793, die Goethe als Augenzeuge und als Handelnder miterlebte. Nach „Goethe und Napoleon“ widmet sich Gustav Seibt nun in einem weiteren ebenso eleganten wie klugen Buch der Revolutionserfahrung Goethes. Was hat sich im Juli 1793 wirklich abgespielt? Warum mündete die Mainzer Republik in Wochen des Bürgerkriegs und reaktionären Terror? Welche Rolle hat Goethe in diesen verstörenden Ereignissen gespielt und wie hat er sie gedeutet? All diesen Fragen geht Seibt immer nah an den Quellen nach und beleuchtet dabei nicht nur Goethes Haltung zum wichtigsten Umbruch seiner Epoche neu, sondern wirft auch ein ungewohntes Licht auf eine fatale Weichenstellung in der deutschen Geschichte - Deutschlands Abwendung von den Idealen der Französischen Revolution. Seibts Buch ist eine grandiose Erzählung von Terror und Wut und dem Versuch, den Kreislauf der Gewalt zu unterbrechen.
Aufgenommen in die Sachbuch-Bestenliste August 2013 von SZ/NDR War Goethe, wie Nietzsche einst schrieb, tatsächlich ein 'Zwischenfall ohne Folgen' in der deutschen Kultur? Gustav Seibts Einlassungen zu Goethe zählen zum Erhellendsten und Geistreichsten, was über den Dichter geschrieben worden ist. Er nimmt dessen Bemühen, eingebunden in seine Zeit zu wirken, Teil eines harmonisch gefügten Ganzen zu sein, als Ausgangspunkt für seine Streifzüge in klassisches und unklassisches Gelände. Anspielungsreich und vielschichtig macht er Goethes offensichtliche und verdeckte Einflüsse auf spätere Generationen sichtbar. Mit Erkundungen zu Jakob Burckhardt, Fontane, William Gaddis, Arno Borst, seinen Überlegungen zu Geschichtsschreibung, Außenseitertum, aber auch zu Humor und Lachen knüpft er ein filigranes Netz aus Bezügen und Wahlverwandtschaften. Goethes Autorität zieht sich dabei als roter Faden durch das Buch. Sie taugt nicht zur Bevormundung, vielmehr erwächst sie, wie hier gezeigt wird, aus einem außerordentlich reichen, beispielhaft gelungenen und Sprache gewordenen Leben.
In seiner 1945 verfassten Rede 'Deutschland und die Deutschen' bescheinigte Thomas Mann seinen Landsleuten, dass ihnen immer wieder gerade das Beste zum Bösen ausgeschlagen sei – damit eine Betrachtung Goethes verschärfend, der das Klassische als das Gesunde, das Romantische als das Kranke einstufte. Gustav Seibt lässt sich von solchen Diagnosen anregen, indem er sich mit einem 'deutschen Sonderweg' auseinandersetzt: dem Philhellenismus, der Sehnsucht nach einem deutschen Arkadien. Mit ihrer schwärmerisch-melancholischen Tendenz, ihrem ästhetischen Radikalismus hat die Griechenliebe immer wieder das Misstrauen der 'lateinisch-nüchternen' europäischen Nachbarn erweckt und insbesondere nach 1945 zum Nachdenken über ihren Anteil am nationalen Kulturhochmut der Deutschen herausgefordert. Dass die hellenisch-deutsche Wahlverwandtschaft nicht zwangsläufig Weltferne und Gegenwartsfeindschaft zur Folge haben muss, dass der Traum vom Klassischen und die historische Melancholie durchaus kraftvoll sein, dass Sonderwege den Eigensinn gegen totalitäre Gleichschaltung befördern können, davon erzählt Gustav Seibt in diesen - zuweilen leidenschaftlich intervenierenden, zuweilen ironisch-distanzierten - Essays.
Demokratisch reden
Parlament, Medien und kritische Öffentlichkeit in Deutschland
Der Wahlabend und die anschließenden Auftritte von Politikern in den Medien sowie die massive Kritik der Regierung an diesen zeigen, wie aktuell das Thema des neuen Valerio-Hefts der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist. Herausgeber Gustav Seibt identifiziert in politisierenden Talkshows den Schatten parlamentarischer Debatten und dokumentiert die Veränderungen im politischen Sprechen durch das Fernsehen. Um dieses Phänomen zu beleuchten, versammelt er eine Gruppe prominenter Schriftsteller und Journalisten, die sarkastische Beschreibungen mit klaren Analysen verbinden. Es geht nicht um kulturkritisches Lamento, sondern um den medialen Einfluss und die Verteidigung journalistischer Professionalität. Seibt erinnert an Max Webers Kritik am „Literaten“ als Träger des Demagogischen, während Joachim Helfer die Figur des politisch engagierten Autors bis zu ihrem Verblassen verfolgt. Weitere Beiträge thematisieren den Konflikt zwischen BILD-Zeitung und Schriftstellern, die Wirkungen des Fernsehens, die Rolle von Experten und Politikern, sowie die Auswirkungen des Kommunikationsumfeldes auf Berufspolitiker. Die Reihe „Valerio“ wird in unregelmäßigen Abständen zu aktuellen Themen Stellung nehmen, wobei jedes Heft von einem Akademiemitglied herausgegeben wird, das das Konzept entwickelt und Autoren auswählt.
Kulturkritik als weltzugewandte, durchaus heitere Geschichtsskepsis: Warum sie zum guten Leben in einer Zivilisation gehört, zeigen diese elegant formulierten Auseinandersetzungen mit der Zukunft und Vergangenheit Europas sowie mit den Ausdrucksmöglichkeiten von bildender Kunst und Literatur. Gustav Seibt ist der Gestus des schlecht gelaunt raunzenden, habituell Neues abwehrenden Kulturkritikers fern. Ganz gleich, ob er sich Petrarca oder dem Berliner Tag- und Nachtleben zuwendet, stets sind seine Einlassungen Ausdruck eines fröhlichen Gegenwartsbewußtseins. Sämtliche hier versammelten Essays – ob zu Borchardt, Nietzsche, Weber, Thomas Mann oder zum deutschen Bildungsbürger – stellen sich der Frage nach Abhängigkeit und Autonomie geistiger Leistung und nach dem Zusammenhang von Freiheit und Geschichtsbewußtsein. Ergänzt werden sie durch autobiographisch geprägte Miniaturen und amüsantabgründige Einblicke in das Leben einer nicht nur architektonisch zerrissenen Hauptstadt.
Zehn Jahre sind zwischen dem Hauptstadtbeschluss des Parlaments und dem Umzug der Regierung verstrichen: Nicht von Berlin ist die Rede, nicht vom heutigen Deutschland, sondern von Rom und Italien im neunzehnten Jahrhundert. Italien wurde 1861 geeinigt, 1871 bezog es seine Hauptstadt Rom. Es gab lange Hauptstadtdebatten davor und einen ebenso langwierigen Umbau der Stadt danach. Darum hatte es einen Krieg gegeben: Italien hatte die Stadt Rom dem Papst mit militärischen Mitteln entreißen müssen. Und neben dem Krieg der Waffen fanden andere Kämpfe auf den Schlachtfeldern der Presse, der Diplomatie, der Geschichtswissenschaft und der Theologie statt: Gestritten wurde um Fortschritt und Legitimität, Religion und Revolution, Kirche und Nation. Schriftsteller und Gelehrte aus ganz Europa beteiligten sich daran und erörterten dabei Grundsatzfragen der Moderne: nationale Identität, Gewissensfreiheit, Selbstbestimmungsrecht der Völker. Gustav Seibt erzählt die Geschichte dieses vergessenen Kampfes, der damals Millionen Menschen bewegt hat, mit ihren vielfältigen Bezügen und Ebenen: der militärischen, der diplomatischen, der weltanschaulichen und der stadthistorischen. Dabei entsteht ein farbiges Bild vom Übergang Alteuropas zum Europa der Nationen zwischen der Revolution 1848 und den Lateranverträgen 1929. Seibts Buch ist ein Abgesang auf das alte Rom der Päpste und eine Liebeserklärung an das freiheitliche Italien des Risorgimento.
