Hermann Peter Piwitt Bücher






In Hermann Peter Piwitts neuem Roman "Territorium" werden düstere Geschichten erzählt: ein Gärtner zündet eine Wohnung an, ein Erzieher missbraucht Kinder, und ein Schiffsstewart zwingt einen Reisenden zur Zuhörerschaft. Das 'Territorium' ist ein Ort der Hoffnungslosigkeit, wo Geld über alles entscheidet und das Lachen zurückkehrt.
Der Roman ist eine Landschaft des Gedächtnisses. In einem Augenblick, in einem Geruchsreiz zum Beispiel, der von einem halbabgeblühten Apfelbaum ausgeht, zusammengedrängt eine Masse von Tagen. Zum Beispiel das Jahr 58: Morgendämmerungen mit Amseln, die Packung "P 4", kalte Straßenbahnen in der Frühe, Baldus' Fahrrad, Rebeccas Parfum, die mütterlichen Litaneien, Frankfurt vor der Zerstörung durch Banken, Versicherungen und Grundstückspekulanten, die Bockenheimer Landstraße während der Kastanienblüte, der Eiserne Steg, Erhards und Gerstenmaiers Reden, Paul Ankas "Diana", die Nachkriegskarriere Onkel Rashas, die Münsterländer Bucht nach de Krieg, die Marktwirtschaft als Ausbeutungsidylle, der Philosemitismus als Form, über den Ursprung des Faschismus aus der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu schweigen, das Baby Doll-Kleid. Es gibt keine Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft außer der Gegenwart des Gedächtnisses. Das Gedächtnis synchronisiert, wo die Gesellschaft Veränderung, Entwicklung, Zukunft nicht mehr zuläßt. Der Roman ist das Gedächntnis, in dem der Roman Rott und Rebecca, das Liebespaar, Baldus Korbes, der Freund, auf der Suche nach seinem im Krieg verschollenen Vater Rasha, Rotts Mutter, von dreißig Jahren fröhlicher Askese auf den Hund gebracht, schließlich Rasha selbst, der nach dem Krieg im Versandhandel als Mann der Wirtschaft avanciert.
Die Gärten im März
- 222 Seiten
- 8 Lesestunden
Wallstein-Verlag, Gttingen, 2006/2008/2010. 247, 234, 126 S., Pappbnde mit Schutzumschlgen, (Name auf Titel) - gute Exemplare -
Der Granatapfel
Roman
Ein Schelmenroman über den »letzten selbstgemachten Helden Europas«, mit artistischer Finesse erzählt. Und ein Italienbuch, frech und südentrunken. 20 Jahre nach der Erstausgabe des Romans hält Piwitt Rückschau und kommentiert die Neuausgabe. Oberitalien am Ende des Zweiten Weltkriegs: Auf seinem Alterssitz am Gardasee schreibt der Dichter, Kriegs- und Frauenheld Gianbattista Taumaturga - inzwischen über achtzig - seine Memoiren. Alles hat er, immer wie in Trance, gewagt; und fast alles ist ihm geglückt. Mit zwanzig hat er, der Junge aus der Provinz, eine der besten »Partien« des römischen Hochadels entführt und geheiratet, Eleonora Duse opfert ihm Ruf und Vermögen. Millionenschulden zwingen ihn zur Flucht nach Frankreich, von wo aus er den Eintritt Italiens in den Ersten Krieg betreibt. Als General aller drei Waffengattungen inszeniert er Husarenstücke an der österreichisch-italienischen Front. Sein letzter Streich - die Besetzung der jugoslawischen Grenzstadt Fiume 1919 - wird zum Signal für den faschistischen Putsch unter Mussolini. »Der Granatapfel« erzählt Motive aus der Biographie von Gabriele d’Annunzio (1863-1938), ein Leben in den Koordinaten von Liebe und Tod, ein Leben voller Affären und Plagiate, Schulden und Duelle, Mystifikationen und Ruhm. Zwischen Selbstrechtfertigung und Selbstabrechnung schwankt seine Lebensbeichte. Schimpfkanonade, Jeremiade und Harlekinade in einem.
Die sieben Erzählungen dieses Bandes zeigen den Autor auf der Höhe seiner Kunst. Sie sind funkelnde Kabinettstücke. Keine Abrechnung, keine Beschönigung, Hermann Peter Piwitt erzählt so beiläufig wie kunstvoll. Autobiographisches, Erinnertes und Erfundenes fließen ununterscheidbar ineinander, etwa wenn er über die eigene Kindheit spricht, über die Auseinandersetzungen vor und nach 1945 mit dem Vater, über den Bruder, über die Abenteuer als junger Mann mit Freunden und Künstlerkollegen in Frankfurt oder Berlin, Rom oder Seestadt, über die immer neuen Versuche, Frauen zu imponieren samt gelegentlicher Erfolge und demütigender Niederlagen. Und zwar von Jugend an bis ins Alter. Da findet sich nichts Ausgeschmücktes, kein Ornament. Piwitt muss sich und dem Leser nichts mehr beweisen, er kommt zur Sache und schweift ab, schaut sich kommentierend selbst über die Schulter und entwirft mit leichter Hand Lebensgeschichten, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Er ist ein genauer Zuhörer und Beobachter, seine Zuneigung gilt den kleinen Leuten, den Glücksmomenten und Malheurs des Alltags, die etwas ungemein Sinnliches gewinnen und zugleich eine weit darüber hinausgehende Dimension. Hier zieht einer Bilanz, darüber, was wichtig war und aufgehoben werden soll, und über das, was zeitlebens ein Rätsel blieb.



