Raymond Federman war ein Romanautor und Akademiker, bekannt für seinen experimentellen Schreibstil, der darauf abzielte, die traditionelle Prosa zu dekonstruieren. Dieser Ansatz zeigt sich in seinem Werk, wo lineare Erzählungen zerlegt und bis zur Beinahe-Undeutlichkeit umstrukturiert werden. Wörter werden oft auf Seiten so angeordnet, dass sie Bilder ähneln oder wiederkehrende Themen andeuten, was das konventionelle Erzählen herausfordert.
Die Übersetzung von Raymond Federmans Werk wurde von der Kunststiftung NRW gefördert. Das Buch erzählt von seiner Kindheit und der dramatischen Festnahme seiner jüdischen Familie 1942. Federman beschreibt seine Flucht und das Erwachsenwerden, während er sich mit seinen Erinnerungen auseinandersetzt und die Magie der Kindheit einfängt.
Raymond Federman erzählt von seiner Kindheit in Frankreich, seinem Leben als Erwachsener in den USA, seiner jüdischen Herkunft, seiner Karriere als Schriftsteller und unterscheidet in den großartig leicht und humorvoll erzählten Geschichten nicht zwischen Wahrheit und Lüge, Erfundenem und Erinnerung. Dieses Buch ist eine übermütige Achterbahnfahrt durch Federmans Leben und durch die Geschichte. Immer wieder weitet sich der Blick auf das große Ganze, das erst durch seine einzelnen Teile zu verstehen ist. Die Körperteile dienen Federman als Ausgangspunkte für Überlegungen, die ihn von vier verlorenen Haaren zu den 68er Unruhen in Paris führen, vom Läuse-Zerdrücken zu den Haartrachten der vom jüdischen Flüchtling beneideten jungen Männer im Amerika der 40er Jahre. Oder von der Betrachtung des dritten Zehs, dem »Gelehrten«, der ihn über die Gemeinsamkeiten von Freud und Hitler aufklärt... »Im höheren poetischen Gelächter wird die eigene Geschichte ausgelöscht und damit unauslöschlich. Die Lachteratur hat also eine doppelte Funktion, sie ist Droge des Vergessens und Denkmal zugleich.« Frank Schäfer in der »taz«, 13.3.2008
Peter Torberg, geboren 1958 in Dortmund, studierte in Münster und Milwaukee (Wisconsin). Seit 1990 arbeitet er hauptberuflich als Übersetzer. 2015 wurde er Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Die wohl charmanteste, zweifelsohne aber berühmteste Geschichte des französisch-amerikanischen Autors, der mit seinen vielfältigen Texten zu den bemerkenswertesten Autoren in der Geschichte der modernen amerikanischen Literatur zählt. Es ist die Geschichte von Moinous, einem liebenswerten, einsamen und armen französischen Emigranten in New York, der sich in die etwas ältere Sucette verliebt, eine bürgerliche politische Aktivistin und angehende Schriftstellerin. Die vertrackte Liebesgeschichte entwickelt sich nach vielen Anläufen und Irrwegen langsam doch, aber der Leser stellt sich bald die Frage, wer eigentlich der Erzähler ist, Federman oder Sucette, die sich gerade einen Moinou erfindet...
Ich kann schon die Einsprüche hören. Nicht schon wieder! Warum eigentlich
nicht? Ein Thema so gut wie jedes andere und ziemlich in Mode heutzutage. Ein
Autor wie Raymond Federman darf diese bestürzende Wahrheit so lakonisch in
Erinnerung rufen, denn sein 'Thema' heißt Deportation und Vernichtung. 'Post-
Holocaust' hat Raymond Hederman seine Literatur genannt. Das
schriftstellerische Werk des heute in den Vereinigten Staaten lebenden
Avantgarde-Autors bringt der Suhrkamp Verlag seit vergangenem Jahr neu heraus
oder stellt es, wie den vorliegenden Roman - 'betrifft: Sarahs Cousin',
erstmals in deutscher Übersetzung vor. Das Versteck im Wandschrank bewahrte
Raymond Federman davor, wie seine Eltern und Schwestern am 16. Juli des Jahres
1942 aus Paris nach Auschwitx deportiert zu werden. Er hat den Tod hinter sich
- aber nicht vom Tod wollen Raymond Federmans Romane erzählen, sondern vom
Überleben, vom zweiten Leben eines Verschonten. Sarah und ihr Cousin warten
aufeinander: er wartet wegen eines verspäteten Weiterflugs nach Israel auf dem
Flughafen jener Stadt, in der er geboren wurde; sie erwartet seit Stunden mit
ihrem Mann Elis auf einem israelischen Flughafen ihren Cousin. Beide, Sarah
hier und ihr Cousin dort, sehen tiefbewegt von schmerzhaften, schuldbeladenen
und selbstzweiflerischen Erinnerungen an ein geteiltes Schicksal ihrem ersten
Wiedersehen seit 35 Jahren entgegen. Der Schrecken in ihrer Vergangenheit,
durch den ihnen auch ein Mehr an Leben verliehen worden war, ist datierbar auf
den 16. Juli des zweiten Invasionsjahres, als sie die Deportation ihrer Eltern
und Geschwister überlebten: die neunjährige Sarah auf der Straße, weil ihre
Mutter sie zum Einkaufen schickte, kurz bevor die Familie abgeholt wurde; der
drei Jahre ältere Cousin im Wandschrank, in den ihn seine Mutter stieß, als
die Soldaten kamen. Auf dem Land versteckt, überlebten Sarah und ihr Cousin,
fanden sich nach dem Krieg wieder, bevor sich ihre Wege trennten. Er
emigrierte nach Amerika und wurde ein berühmter Bildhauer, sie, weil ihr das
Visum wegen einer Krankheit verweigert wurde, wanderte aus, um in einem Kibbuz
mitzuhelfen, ein neues jüdisches Land und Leben aufzubauen. Das ist die
Geschichte, die Raymond Lederman erzählt - oder genauer: er denkt nach über
diese Geschichte, die in betrifft: Sarahs Cousin aus nichts anderem besteht
als den melancholisch-heiteren Spekulationen über Form und Möglichkeiten,
diese Überlebensgeschichte mitzuteilen.