Alexander Widner Bücher






Bulu ist eine aus der Mode gekommene Figur, ein Genussmensch und Bürgerschreck, der ein abenteuerliches Leben führt. Alexander Widner nutzt einen Bänkelsang, um an diese schelmische Lebensform zu erinnern und thematisiert ein antibürgerliches, anarchisches Leben, das heutigen Sehnsüchten nach Freiheit entspricht.
Frostsommer
Die Hefte 2020–2022
Gravesend. Aufzeichnungen 2007-2011
- 126 Seiten
- 5 Lesestunden
Der Alltag bietet uns, die wir anfällig für das Auseinanderfallen sind, eine Struktur, an der wir uns festhalten können.
Ashburns Knöpfe
Possen und Posen der vorletzten Tage
Eines schönen Tages, schön war er in der Frühstunde in seinem friedlichen Beginnen tatsächlich, war Ashburn alt. Nicht dass er etwa Bestimmtes oder Gewohntes nicht hätte tun können. Er wusste nur im Deut einer Sekunde: ich bin alt. Der schöne Tag war hässlich geworden, der Sommer frostig. Das Lebensgeflunker stockt. Die Hand der Vergeblichkeit drückt zu. Das Gestern wird bekränzt, klingt nach schöner Regel. Umzug in den Hinterhof. Den Hinterhof der Tage, des Augenblicks. Die Bedürfnisse dessen, das sich allzu pompös Geist nennt – selbst die, deren Hirnweide ein enger Gatter, ein kleiner Hof ist, finden dieses Wort angemessen –, sind den als kompakt untrüglich verstandenen weit voraus, die Umkehrung der Lust in Resignation, des Genusses in missmutige Ergebung. Eine Leere, zufrieden mit sich, die nirgendwohin will, die keine Wege geht, kaum sich erhebt. Kein Tag. Das schöne Gestern. Ashburn eröffnet seine eigene Zeit. Anders als alle anderen Zeiten. Sie zeigt sich oder zeigt sich nicht. Je nachdem, wie spät es ist.
Dies ist die Geschichte einer Ehe. Die Erzählung beginnt mit dem Jahr 1938 und endet drei Jahrzehnte später. Der Mann, Musiklehrer mit dem Drang zu Höherem, ist von seiner Größe ebenso überzeugt wie davon, daß die Frau dem Manne zu dienen habe. Die Frau ergibt sich der „Gewalt der Liebe“. „Prächtigste Zukunftshoffnungen“ prägen das Familienleben, doch es geht immer tiefer in die Provinz, die „entscheidenden Jahre“ verstreichen ungenützt. „Es ist alles nichts geworden“, diese Aussage steht als Fazit am Ende eines Lebens: der Weg dorthin ist gepflastert von Hoffnungen und Enttäuschungen, Gehorsam und Anpassung.
Wahrheit, die arrogante Form der Wahrscheinlichkeit, ist immer außerhalb. Außerhalb unserer Arme, außerhalb unseres Gesichts. Wie es einer Bestie zukommt. Würden wir uns ihr nähern wollen, fiele unser Leben aus dem Regelwerk. Muten wir uns nichts zu. Keine Erwartungen. Keine Hoffnungen. Es bleibt uns, in einer Unzahl von komischen Gewandungen, die Wahrscheinlichkeit. Und als einzige uns erreichende Wahrheit: Leben heißt, sich aus Unsicherheit, Angst, Ratlosigkeit, Überdruss oder Geldnot in alle Hosen scheißen. Das soll zu Anfang gesagt sein.
Tag und Nacht und Tag
Aufzeichnungen von abseits irgendwo
Widner sprengt mit diesem Text gängige Genres. Schonungslos wütend, schonungslos lachend, grotesk und sarkastisch schreibt Widner über sich und andere, über Musik und Literatur und über das gewordene Österreich – aphoristisch und poetisch zugleich.