Yvonne Istas Bücher






Die nahe dem Bodensee gelegene Stadt Stockach war ab dem Mittelalter Verwaltungssitz und Verkehrsknotenpunkt der Landgrafschaft Nellenburg. Nach vielen Jahren vorderösterreichischer Herrschaft entwickelte sich Stockach im Großherzogtum Baden während des 19. Jahrhunderts vom eher ländlich geprägten Beamtensitz zur wohlhabenden Bürgerstadt. Die Aufnahmen zeigen städtebauliche Veränderungen und das alltägliche Leben von der Jahrhundertwende bis in die 1960er-Jahre. Zu sehen sind längst verschwundene Hotels, Gaststätten und Brauereien, aber auch frühere Handwerksbetriebe und Fabriken. Dabei spielt der Mensch stets eine zentrale Rolle. So zeigen die Fotografien stolze Villenbesitzer und Geschäftsinhaber, Menschen bei der Arbeit oder in der Freizeit. Die Stockacher Fasnacht bildet einen besonderen Schwerpunkt. Yvonne Istas, Leiterin des Stadtmuseums und -archivs, und Thomas Warndorf, Kulturamtsleiter der Stadt Stockach und Archivar des „Hohen Grobgünstigen Narrengerichtes“, haben rund 160 historische Fotografien und Postkarten zusammengestellt. Sie laden ein zu einer Reise in die jüngere Vergangenheit Stockachs.
Vom Orient zum Bodensee
Der Stockacher Maler Gustav Rockholtz (1869-1938)
Die spannende Vita des Malers Gustav Rockholtz (1869-1938) und sein umfangreiches, vielfältiges Werk stehen im Zentrum der vorliegenden Monographie. Der Malergeselle aus Witten ließ sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Kunstzentren Berlin und München vom deutschen Impressionismus anregen. Über Italien reiste er in den Orient, wo lichtdurchflutete, farbenfreudige, teils kräftige - teils luftige Momentaufnahmen entstanden. Die Bilder, die Rockholtz ab 1903 in Kairo und auf Reisen durch Oberägypten und Palästina malte, zeugen von der künstlerischen Auseinandersetzung mit Max Liebermann, Lovis Corinth oder Max Slevogt. Als Deutscher geriet Rockholtz 1914-1919 in Zivilgefangenschaft auf Malta. Seine letzten 20 Lebensjahre verbrachte er in Stockach, wo seine Frau sich inzwischen niedergelassen hatte. Seine letzte Heimat hielt der verarmte Künstler in zahlreichen Gemälden fest, die ein längst vergangenes Stadtbild dokumentieren. Idyllische Bodenseelandschaften und Reiseimpressionen aus dem Tessin ergänzen das Spätwerk.
Natur und Stimmung
Der Bodenseemaler Werner Mollweider (1889-1978)
Der Überlinger See war die Wahlheimat und bevorzugtes Motiv von Werner Mollweide. Der 1889 in Straßburg geborene Künstler lebte spätestens seit 1914 in Ludwigshafen, wo er 1978 verstarb. Sein Frühwerk mit den kräftigen, pastos aufgetragenen Farben ist noch vom spätimpressionistischen Stil des Lehrers Lothar von Seebach beeinflusst. Später hellte sich Mollweides Palette zusehends auf, und es entstanden zarte Bodenseebilder mit feinem Pinselstrich. Von Ludwigshafen aus erkundete der Maler die ihn umgebende Landschaft, die er in stimmungsvollen, naturnahen Darstellungen festhielt. Es gelang ihm, die reizvollen Spiegelungen auf der Wasseroberfläche und das diffuse Licht zu unterschiedlichen Tageszeiten auf seinen Aquarellen und Gemälden gekonnt einzufangen. Statt den Weg der Abstraktion einzuschlagen, beschäftigte sich Mollweide zeitlebens intensiv mit der Wahrnehmung von Farbeindrücken in der Natur und ihrer Wiedergabe auf der Malfläche: „Ich weiß heute, daß der Reiz des Bodenseebildes nicht in dem allgemeinen Zusammensein von Luft, Wasser, Bergen, Bäumen und Uferland liegt, sondern in ganz bestimmten Form- und Farbbeziehungen dieser Bestandteile zueinander.“
Foto Hotz
Ein Lebenswerk in Bildern, Katalog zur Ausstellung Stockach, Stadtmuseum im Alten Forstamt 15. Juni bis 2. November 2013
Seit 1875 ist das Fotoatelier Hotz in Stockach ansässig. Über mehrere Generationen hinweg dokumentierte das Familienunternehmen das Stadtgeschehen und die Stadtentwicklung. Die Fotografen porträtierten die Bewohner und hielten das hiesige Vereinsleben, besondere Ereignisse und Festlichkeiten, die Architektur und die Landschaft der Region fest. Der erste Fotograf der Familie war der Konstanzer Goldschmied Raimund Hotz (1814-1880), der bereits 1865 ein Atelier in der Fischmarktstraße in Konstanz eröffnete. Sein Sohn Gustav (1847-1926) ließ sich 1875 als Fotograf in Stockach nieder. Nach 130-jähriger Firmengeschichte wurde das Fotoatelier Hotz 1994 geschlossen. Der Katalog soll einen ersten Überblick über den reichen fotografischen Nachlass aus fünf Generationen vermitteln. Erstmals werden die Biografien der Fotografen vorgestellt. Anschließend soll im eigentlichen Katalog eine Auswahl der im Nachlass vorhandenen Aufnahmen nach Themen sortiert präsentiert werden. Aufgrund des außerordentlich umfangreichen Bestandes mit tausenden von Negativen, Papierabzügen, Postkarten und dergleichen wurde ein zeitlicher Schwerpunkt auf das Frühwerk gelegt.
Der Stockacher Bauunternehmer und Ehrenbürger Heinrich Wagner sammelte Druckgrafiken sowie Gemälde, Aquarelle, Pastelle und Gouachen. Seine Sammelleidenschaft begann in den 1960er Jahren, und über die Jahrzehnte trug er mehr als 300 Bilder zusammen, die 2016 der Stadt Stockach als Dauerleihgabe übergeben wurden. Diese Werke stammen von 70 Künstlern, von denen 25 im Katalog kurz vorgestellt werden. Die Ausstellung zeigt etwa 80 Bilder und hebt viele Glanzlichter hervor. Wagner war besonders fasziniert von den poetischen und surrealen Welten der spanischen Maler Joan Miró und Salvador Dalí. Zudem hatte er eine Vorliebe für die märchenhaften Werke von Marc Chagall. Seine Sammlung umfasst auch sachlichere Arbeiten von Otto Dix und Erich Heckel sowie abstrakte Werke von Max Ackermann und ein wertvolles Spätwerk von Willi Baumeister. Diese stehen im Kontrast zu Eduard Bargheers kubistisch abstrahierten Sommerlandschaften. Ergänzt wird die Sammlung durch ausdrucksstarke Portraits und Stierkampfszenen von Pablo Picasso. Weitere bedeutende Künstler in der Sammlung sind Oskar Kokoschka, Carl Walter, Henri Matisse, Henry Moore, Gérard Schneider und Victor Vasarely.
Stockachs verborgene Talente
Toni Bach (1909-1977), Georg Heinrich (1916-1991) und Gretel Möll (1921-2004)
Toni Bach, Georg Heinrich und Gretel Möll werden im Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung als „Stockachs verborgene Talente„ vorgestellt. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie trotz ihrer Begabung in „profanen“ Berufen arbeiteten, da sie von ihrer Kunst allein nicht leben konnten. Toni Bach, der 2009 seinen 100. Geburtstag feiern könnte und dessen Werk einen Schwerpunkt in der Ausstellung und im Katalog bildet, war Schulamtsdirektor in Stockach. Als erfolgreicher Pädagoge und leidenschaftlicher Musiker stellte er hohe Ansprüche an sich und seine Malerei. Georg Heinrich war hauptberuflich als Ingenieur tätig, nutzte aber jede Gelegenheit, um seine Umwelt zu skizzieren. Anhand dieser Vorstudien entstanden unter anderem zarte Aquarelle und pastose Ölbilder. Sein graphisches Können zeigt sich in den zahlreichen Illustrationen der Stockacher Narrenbücher. Gretel Möll betrieb mit ihrem Mann den Gasthof Adler in Hindelwangen. Sie schuf mit ihren charakteristischen Tonfiguren zahlreiche Portraits, hinter denen sich oft eine unterhaltsame Anekdote verbirgt. Ihre Kleinplastiken stehen in der Tradition der Zizenhausener Tonfiguren. Toni Bach, Georg Heinrich und Gretel Möll waren als markante Persönlichkeiten in Stockach vielen bekannt. Ihr künstlerisches Werk ist nicht zuletzt durch die Wahl der Bildthemen und -techniken stadtgeschichtlich bedeutsam.
Die Brüder Karl Maximilian und Ernst Würtenberger, geboren in Steißlingen im Hegau, waren eng mit ihrer Heimat verbunden. Die Landschaft und die Menschen des westlichen Bodenseeraumes zwischen Steißlingen, Stockach und Konstanz inspirierten sie künstlerisch. Nach dem Studium der Bildhauerei und Malerei in München und Karlsruhe pflegten sie Kontakte zu Malern und Literaten am Bodensee. Sie portraitierten gemeinsame Freunde wie die Dichter Emanuel von Bodman und Emil Strauß sowie bewunderte Künstler wie Arnold Böcklin und Hans Thoma. Ernst Würtenberger, anerkannt als Maler, Grafiker und Kunsttheoretiker, war durch seine Lehrtätigkeit an Kunstschulen in Zürich und Karlsruhe sowie durch Ausstellungen und Publikationen bekannt. Seine Ehe mit Karolina Schönenberger hielt den Kontakt zur Heimat lebendig, und bei Besuchen entstanden zahlreiche Portraits und stimmungsvolle Genreszenen. Karl Maximilian Würtenberger, dessen künstlerischer Werdegang von einer Gemütskrankheit überschattet wurde, arbeitete seit 1901 für die Großherzogliche Majolika-Manufaktur in Karlsruhe. Sein vielfältiges Werk umfasst Portraitbüsten, allegorische und mythologische Darstellungen in Reliefform sowie volksnahe Genreszenen, die von den Zizenhausener Terrakotten beeinflusst sind.