Während sich das 19. Jahrhundert die Zeit noch als unteilbar, als kontinuierliches Werden vorstellte, entstand im 20. Jahrhundert ein Bewusstsein für die Gleichzeitigkeit paralleler Leben. Arthur Rimbaud hat die Formel für die postmoderne Existenzform schon vorweggenommen: Ich ist ein anderer. Indem der Konjunktiv des Lebens uns zu denken gibt, formt er unser Selbstbild. Lebensvarianten versteht Michael Lommel in seinem Buch als Verzweigungen der Zeit. Mögliche Leben begleiten unser wirkliches Leben, sei es in glücklicher oder unglücklicher Hinsicht. In der Einbildungskraft, in Träumen und Tagträumen führen sie ein Eigen-Leben – und im Spielraum der Künste können sie aus der Möglichkeitsform erlöst werden. Lebensvarianten verweisen so auf ein neues Zeitbewusstsein für gleichsam mikrologische Zufallsereignisse: Der Bruchteil einer Sekunde entscheidet mitunter – wie im Film Lola rennt – über gänzlich unvereinbare Lebenswege. In der Kunst kann wirklich werden, so die These des Buchs, was sonst nur in der Fantasie möglich ist: mehrere Leben zu leben. Michael Lommel kommentiert philosophische Klassiker von Aristoteles bis Deleuze und zahlreiche Beispiele aus Literatur, Theater, Fotografie und Film. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie virtuelle Biografien spielerisch erproben. Sie erkunden den Wartesaal der Möglichkeiten.
Michael Lommel Reihenfolge der Bücher






- 2011
- 2008
Dieser Band bezieht sich auf die Phase der Filmgeschichte von der Nouvelle Vague (um 1960) bis zum Kino der Gegenwart. Seine Ausgangsüberlegung lautet, dass sich der Surrealismus nicht auf die Zeit der Avantgarden der 1920er und 30er Jahre einschränken lässt, sondern bis heute filmische und intermediale Spielformen hervorbringt. Im Zuge der Globalisierung und Internationalisierung der Kinoindustrie findet man surrealistische Filme bzw. Elemente im Weltkino von Hollywood bis Hongkong, vom Mainstream- bis zum Independentkino. Die Beiträger_innen konzentrieren sich auf Regisseure, die aktuelle Erscheinungsformen einer Ästhetik des Surrealen reflektieren - u. a. Almodóvar, Fellini, Godard, Greenaway, Herzog, Kubrick, Lynch, Welles. Dabei werden exemplarische Filme analysiert, um Aspekte surrealistischer Filmkunst im Œuvre der jeweiligen Filmemacher zur Diskussion zu stellen. Das Interesse liegt besonders in den Aktualisierungen des Surrealismus im (post-)modernen Film, in surrealen Spiel- und Assoziationsformen einer karnevalesken Polyphonie.
- 2008
Sartre und die Medien
- 225 Seiten
- 8 Lesestunden
Dieser Band widmet sich den Medienkonfigurationen im Werk Jean-Paul Sartres. Ausgewiesene Kenner seines Werkes und namhafte Medienwissenschaftler lesen seine Schriften neu und richten ihr Interesse auf Wechselbeziehungen zwischen Literatur, Theater und Film, auf Sartres Filmdrehbücher und Szenarien, auf Inszenierungen, Verfilmungen und Bearbeitungen seiner Werke, auf den Philosophen, der zu den Begründern einer Medientheorie des Imaginären gehört - und schließlich auf den Touristen, der mit gesteigerter Wahrnehmungsfähigkeit durch die berühmten italienischen Städte flaniert. Mit den Medienumbrüchen des 20. Jahrhunderts ist Sartre in mehrfacher Hinsicht verbunden: einerseits durch die Reflexion der medienpsychologischen und intermedialen Aspekte des Films, und andererseits als Inspirator neuerer medien- und wahrnehmungstheoretischer Ansätze, die u. a. von Barthes, Foucault, Baudrillard und Deleuze weiterentwickelt wurden.
- 2006
Die Studie untersucht die synästhetischen Wechselbeziehungen und Sinnes-Koppelungen in Bec ketts Texten und Medienspielen. Samuel Beckett stand zunächst unter dem Einfluss der literarischen Avantgarden, nahm aber schon früh den Dialog mit den neuen Medien – Hörspiel, Film und Fernsehen – auf, indem er seine Sprach- und Bühnenexperimente mit technischen Bildern und Tönen kombinierte. Bec ketts Mediensynästhesien spielen mit Grenzformen der Wahrnehmung, mit der Austauschbarkeit, Überlagerung und Kreuzung von Schrift, Stimme, Klang, Bewegung, Musik und Bild, ohne sich jedoch in einer Synthese der Sinne, einem sensus communis aufzulösen. Lommels Studie bezieht erstmals das ambitionierte Projekt Bec kett on Film (2001) ein – die Verfilmung fast aller Theaterstücke Becketts.
- 2004
Die Publikation Theater und Schaulust im aktuellen Film dokumentiert die Aktualität und Weiterentwicklung der Theater/Film-Kombinationen im Kontext der Jahrtausendwende, des digitalen Medienumbruchs, der Medienmischungen und Hybridisierungen, der spektakulären und performativen Medienkulturen. Neueste Theaterfilme von Almodóvar, Benigni, Breillat, Chéreau, Jeunet, Marciano, Oliveira, Ozon und Rivette veranschaulichen, dass die Spielräume, ästhetischen Möglichkeiten und Interaktionen des szenischen und filmischen Mediums keineswegs erschöpft sind, sondern zu neuen Varianten und Aktualisierungen herausfordern. Die Beiträge verdeutlichen die Kontinuität der »klassischen« französischen Theaterfilme der ersten Tonfilmdekade in der Gegenwart. Die intermedialen Verfahrensweisen zwischen Transformation und Innovation, aber auch die Brüche und Veränderungen, werden von den aktuellen Theaterfilmen reflektiert und vorgeführt. Darin zeigt sich zugleich die Fruchtbarkeit der intermedialen Konzepte und Untersuchungsmethoden, die für die Analyse aktueller Theaterfilm-Experimente weiterentwickelt werden können.