Exil London
Metropole, Moderne und künstlerische Emigration






Metropole, Moderne und künstlerische Emigration
Wenn Architekten ein Wohnhaus für sich selbst entwerfen, entfällt oft das Spannungsverhältnis zwischen Auftraggebern und Ausführenden. In diesen Bauten treten künstlerische Haltungen, politische Positionen, Temperament und Charakter der Architekten deutlicher hervor als bei anderen Aufträgen. Zudem spiegeln sie architektonische Theorien und Strömungen ihrer Zeit wider. Es finden sich sowohl Tradition als auch Avantgarde, Experimentierfreude und Pragmatismus, ausgeprägtes Künstlertum und ingenieurtechnische Auffassungen. Auch persönliche Lebensumstände der Architekten und die Botschaft, die den Häusern über ihre Funktion hinaus zugedacht ist, kommen zum Ausdruck: als „Manifest“ oder „Selbstportrait“ ihrer Erbauer, als Werbung oder Zeichen der Verbundenheit mit bestimmten Milieus. Besonders unter den Bedingungen von Migration und Exil erhält das Bauen für sich selbst eine besondere Bedeutung. Prominente Beispiele sind die Wohnhäuser von Rudolph Schindler, Richard Neutra, Ernst May, Walter Gropius, Bruno Taut, Ernö Goldfinger, Josep Lluís Sert, Max Cetto und Marcel Breuer. Welche Ausdrucksformen finden freiwillige Migration oder erzwungene Ortswechsel in diesen Bauten? Wie unterscheiden sich diese „houses of one’s own“ von anderen Werken der Architekten? Das Buch versammelt Beiträge international renommierter Autoren und beleuchtet auch weniger beachtete Aspekte des Themas. Burcu Dogramaci und Andreas Schätzke bringen ihre Expert
Band 1‒36 im Set erhältlich! Das 1983 begründete interdisziplinäre Jahrbuch Exilforschung widmet sich der Erforschung der Bedingungen, Erscheinungsformen und kulturellen Reflexionen des Exils. Der Begriff, der historisch die Verbannung einzelner meinte, wird programmatisch für die Untersuchung der für das 20. und 21. Jahrhundert charakteristischen Massenvertreibungen verwendet. Damit wird eine Perspektive auf die Besonderheiten der Zwangsmigration, ihrer Erfahrungsdimensionen und kulturellen Artikulationen eingenommen. Das Kernthema Flucht und Exil infolge der nationalsozialistischen Diktatur wird mit der Erforschung anderer, auch gegenwärtiger Exile verbunden. Indem das historische Exil als transnationales Geschehen in den Blick gerückt wird, das nicht auf eine Verlustgeschichte reduziert werden kann, sondern vielfältige Vernetzungen und Transferprozesse initiiert hat, ergeben sich Bezüge zu aktuellen Flucht- und Exilerfahrungen und deren globalen Dimensionen und Implikationen. Das Jahrbuch gibt Raum für Untersuchungen zur Verschränkung oder Entflechtung von politischen und kulturellen Aspekten der Zugehörigkeit sowie zur Erinnerungskultur und ihren institutionellen Verortungen.
Das Buch untersucht das Verhältnis von ephemerer Kunst, ihrer Speicherung und Reproduktion in analogen und digitalen Medien von den 1960er-Jahren bis zur Gegenwart. Mit der Herausbildung neuer ästhetischer Praktiken (Performance Art, Aktionskunst, Happening etc.) kam der Status ihrer medialen Aufzeichnung in den Blick. Fotografie und Video prägen die Rezeption eigentlich vergänglicher Arbeiten bis in die Gegenwart. Sie vertreten die Aktionen, die für das Publikum nicht mehr leibhaftig erfahrbar sind, und entreißen sie ihrer Zeitgebundenheit. Das Konzept des anachronistischen »Nachlebens« (Aby Warburg) kann helfen, Hierarchien zwischen dem Ereignis und seiner Reproduktion in produktiver Weise zu befragen. Das Buch nimmt sich der Aufgabe an, das vieldimensionale und komplizierte Verhältnis zwischen den transitorischen Formen der Kunst und ihrer medialen Aufzeichnung in systematischer und exemplarischer Perspektive zu untersuchen.
Im 20. Jahrhundert und besonders in den letzten Jahren erlebte die Türkei zahlreiche historische, politische und gesellschaftliche Umbrüche. Die Frage, wie sich diese Prozesse in der Kunst widerspiegeln, steht im Mittelpunkt dieser Untersuchung. Kann künstlerische Kritik an politischen und gesellschaftlichen Zuständen geäußert werden, wenn die Freiräume kleiner werden? Können Kunstwerke eine autonome Historiografie entwerfen, die auf Leerstellen, Brüche und Widersprüche hinweist? Das Buch beleuchtet die künstlerische Produktion in der Türkei von 1960 bis heute aus zwei Perspektiven: Zum einen wird die Auseinandersetzung mit der eigenen wechselhaften Geschichte betrachtet, zum anderen die internationale Vernetzung türkischer Künstlerinnen und Künstler. Dieser doppelte Blick eröffnet neue Einsichten in die zeitgenössische Kunstproduktion in der Türkei und deren Platz in einer grenzüberschreitenden Kunstgeschichte. Der Titel „Re-Orientierung“ bezieht sich nicht nur auf die Positionierung zeitgenössischer KünstlerInnen innerhalb nationaler und transnationaler Narrative, sondern auch auf die (orientalisierende) Wahrnehmung der türkischen Kunstproduktion. Diese umfassende Publikation zur türkischen Gegenwartskunst in Deutschland vereint WissenschaftlerInnen, KuratorInnen und KünstlerInnen verschiedener Generationen und Nationalitäten zu einer intensiven Debatte.
Sozialwissenschaft, Kunstgeschichte und Feminismus um 1900
Die aus Galizien stammenden jüdischen Schwestern Rosa (1874-1954) und Anna Schapire (1877-1911) sind heute nur wenigen bekannt. DIe Kunsthistorikerin Rosa Schapire trat als enthusiastische Förderin expressionistischer Kunst ein, war passives Mitglied der Dresdner Künstlergruppe »Brücke« sowie Mitbegründerin des »Frauenbunds zur Förderung deutscher bildernder Kunst«. DIe vielseitige Anna Schapire war Übersetzerin, Lyrikerin, Sozialwissenschaftlerin und politische Publizistin; zu ihren Arbeiten zählen Bücher über Tolstoi und Hebbel sowie der »Abriß einer Geschichte der Frauenbewegung«. Die von Burcu Dogramaci und Günther Sandner herausgegebene Doppelbiografie verschreibt sich nicht nur der Wiederentdeckung zweier politisch engagierter Feministinnen, sondern auch der erstmaligen Beleuchtung ihrer historischen Kontexte, wechselseitigen Beeinflussung und intellektuellen Profile.
1965 formulierte die Choreographin Yvonne Rainer ihr radikales No Manifesto. Es begann mit den Worten »NO to spectacle« und wurde zu einem der wirkmächtigsten Manifeste in der Kunst: Es sollte »die Luft klären«. Ob dies gelungen ist, welche Wirkungskraft künstlerische Manifeste seither entfalten, wie sie sich in unterschiedlichen medialen Kontexten und im digitalen Zeitalter niederschlagen und welche politischen Perspektiven ihnen inhärent sind, zeigen die Beiträger_innen des interdisziplinären Bandes u. a. an Beispielen der Gruppe SPUR, Georg Baselitz, Pina Bausch oder Kanak Attack.
Fotografie im Buch hat bereits seit Erfindung der Kamerakunst im 19. Jahrhundert zentrale Bedeutung für die Vermittlung einer visuellen Kultur. Obgleich ihre digitale und analoge Präsenz in den vergangenen Jahren zugenommen hat, sind wesentliche systematische Fragen zum Fotobuch als künstlerisches Medium bislang wenig thematisiert worden. Dieser Sammelband legt seinen Schwerpunkt auf das Fotobuch von den 1940er Jahren bis in die Gegenwart und versammelt Beiträge der jüngeren, kunstwissenschaftlichen Forschung. Diskutiert wird das Fotobuch als Medium künstlerischer Artikulation, in dem kulturhistorische Kontexte, gesellschaftliche und politische Agenden verhandelt werden.
Der Band präsentiert einen Querschnitt einer jungen, gegenwartsbezogenen Türkeiforschung. Im Zentrum steht dabei die Spannung zwischen repressiver Staatsideologie und kultureller und gesellschaftlicher Vielfalt, zwischen der Verfestigung autoritärer, neopatrimonialer Strukturen während der Regierungszeit der AKP unter Tayyıp Erdoğan und vielfältigen Formen des Widerstands. Viele der Beiträge reagieren direkt oder indirekt auf die gewaltsame Niederschlagung der Gezi-Proteste im Juni 2013 und beleuchten aus einer interdisziplinären Perspektive das Scheitern des neoliberalen Arrangements sowie die vehement geführten Auseinandersetzungen um Geschlechterrollen und ethnische und religiöse Identitäten.
Eine künstlerische Spurensuche
Heimat ist ein in der deutschen Sprache verorteter Begriff. Eine Übersetzung in andere Sprachen fällt schwer, ist bisweilen unmöglich. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich „Heimat“ zu einer emotional gefassten und politisch aufgeladenen Bezeichnung entwickelt und besonders in der Zeit des Nationalsozialismus als politisch instrumentalisierte Vorstellung vom kulturell und territorial Eigenen neue Brisanz erhalten. Burcu Dogramaci begibt sich auf die Suche nach der Präsenz und Bedeutung von Heimat in der Kunst seit den 1960er Jahren. In Auseinandersetzung mit Heimattheorien und literarischen Texten beleuchtet sie die vielfältigen Bedeutungen und Deutungen von künstlerisch wie fotografisch reflektierter Heimat. Sie ordnet auch die Kehr- und Gegenbilder von Heimat, die vielen künstlerischen Arbeiten eingeschrieben sind, in einen größeren kulturgeschichtlichen und zeithistorischen Zusammenhang ein. Dabei fordert die Autorin keine wehmütige Aufwertung von Heimat ein. Im Gegenteil: sie regt an, Heimat im Kontext globaler Migrationsphänomene und Entgrenzungen neu in den Blick zu nehmen.