Eine Poesie der Sinne
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„Kalt klirrende Sätze“ und „lyrische Prosa“ sind die zwei Pole, zwischen denen sich die Meinungen der Rezensenten zu Herta Müllers Sprache bewegen. So wie die Reaktionen auf ihre Texte von Bewunderung über Irritation bei gleichzeitiger Anziehung bis zu vehementer Ablehnung reichen, so vielfältig stellen sich auch die Stilbetrachtungen dar: lapidar, lakonisch, monoton, lyrisch, bildhaft soll er sein. Doch all diese Attribute sind nur das Ergebnis spontaner Leser- bzw. Kritikereindrücke. Im Zentrum der Arbeit wird die Frage nach den Rahmenbedingungen gestellt, unter denen Herta Müllers Literatur sich entwickeln konnte - oder zwangsläufig mußte, wie man sich nach dem Lesen des Buches fragt. Herta Haupt-Cucuiu, Rumäniendeutsche wie Herta Müller, stellt Analysen von Mikro- und Makrokosmos gegenüber, betrachtet Dorf und Land soziohistorisch und -kulturell in ihrer Bedeutung für eine rumäniendeutsche Literatenbiografie, in der man sich und das Recht auf Individualität etablieren muß, dort, wo das Individuum durch übertriebene Normenzwänge, im Sinne des herrschenden Systems, auszulöschen drohte, und schließt eine profunde Analyse des Soziolekts des Dorfes und der Sprache der Diktatur an. Von besonderer Bedeutung ist das Kapitel über die literarischen Einflüsse Herta Müllers zu Zeiten der Ceauscescu-Diktatur Rumäniens, allen voran Paul Celan und Thomas Bernhard. Beweist Sprache die eigene Existenz, begründet sei eine Überlebensliteratur? was haben Herta Müllers Texte mit Kompositionen gemein? Herta Haupt-Cucuiu findet Antworten. Der Leser kann - bei seinen Leseeindrücken und Irritationen abgeholt - seinen Weg durch die Texte nehmen. Nach und nach werden ihm mögliche Zusammenhänge zwischen Bildern, Sätzen innerhlab eines Textes, dann textübergreifend angeboten. Die sich herausschälenden sprachlich-kompositorischen Eigenheiten betrachtet die Autorin dann auf dem sozialen, sprachlichen und literarischen Hintergrund Rumänien.