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Wissenschaftliche Abhandlungen

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Im noch von Lenard selbst geplanten und mit Anmerkungen versehenen Band IV seiner Gesammelten Werke sind unter anderem seine Veröffentlichungen zur Relativitätstheorie enthalten, deren vehementer Gegner er bis zu seinem Tode 1947 geblieben war. Charlotte Schönbeck, die auch die kritische Kommentierung der Ausgabe besorgte, ist es zu verdanken, daß dieser abschließende Band jetzt noch erscheinen wird. Philipp Lenard (1862-1947), dessen hervorragende experimentelle Untersuchungen um die Jahrhundertwende wichtige Voraussetzungen für neue Wege in der Physik geschaffen hatten und dessen Erkenntnisse über Kathodenstrahlen 1905 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden, wandte sich bekanntermaßen ab den 1920er Jahren vehement gegen moderne physikalische Entwicklungen, insbesondere gegen die Relativitätstheorie. Dies wird besonders deutlich an seinen Aufsätzen zur Relativitätstheorie, die in dem vorliegenden Buch, dem 4. Band von Lenards Wissenschaftlichen Abhandlungen, zusammengestellt sind. Während die ersten drei Bände von 1942 bis 1944 erschienen sind, konnte der bereits von Lenard redigierte und mit handschriftlichen Ergänzungen versehene 4. Band der Abhandlungen wegen der Zeitumstände nicht mehr gedruckt werden. Das wird nun – mehr als 50 Jahre nach Lenards Tod – nachgeholt. Von den 15 Arbeiten dieses abschließenden Bandes bezeichnet Lenard 8 Veröffentlichungen als 'Elektrische und optische Sonderuntersuchungen', die 7 Abhandlungen zur Relativitätstheorie bezeichnet er als Untersuchungen zu 'Äther, Energie und Gravitation'. Sie zeigen Lenards wissenschaftliche und politische Einstellung besonders deutlich, da er seine Kritik für diesen Band gegenüber den Originalarbeiten noch weiter zugespitzt und mit antisemitischen Bemerkungen versehen hatte. Als überzeugter Hitler-Anhänger glaubte er nun, die zunehmende Ablehnung seiner fest in der klassischen Physik wurzelnden Theorien durch die Kollegen dadurch erklären zu können, daß diese nicht erkennen wollten, daß die modernen physikalischen Theorien allein dem jüdischen Denken entsprungen seien und zur Erklärung der Natur gar nicht taugten. Dabei hatte er, um an dem für ihn unverzichtbaren Ätherbegriff – und damit einem absoluten Bezugssystem– festhalten zu können, immer neue, für seine Kollegen völlig unakzeptable ad-hoc-Hypothesen aufgestellt. Es ist die Geschichte eines doppelten Scheiterns: Lenard fand keinen Zugang zur modernen Physik. Seine Theorien wurden von den Kollegen nicht mehr ernst genommen, er geriet fachlich immer mehr in die Isolation. Er selbst sah die Ursache zeitlebens nicht darin, daß seine Theorien überholt waren, sondern nahm Zuflucht in einen haßerfüllten Antisemitismus und versuchte, durch Verbindungen mit dem nationalsozialistischen Regime Einfluß auf die Entwick-lung der Physik in Deutschland zu gewinnen, was ihm nur in den ersten Jahren des Dritten Reiches gelang. Die Verquickung von nationalsozialistischer Ideologie und Polemik mit wissenschaftlichen Gedankengängen macht es uns schwer, Lenards Tragik zu sehen: ein Wegbereiter der modernen Physik, der keinen Zugang zu neuen Paradigmen fand. Es ist das große Verdienst von Charlotte Schönbeck, dieses Werk nach jahrelanger Vorarbeit herausgegeben und es damit der Forschung zugänglich gemacht zu haben. Bewundernswert ist die Akribie, mit der sie die Gedankengänge Lenards nachvollzogen und für den Leser in erläuternden und kritischen Aufsätzen erhellt hat. Außerdem ist es ihr gelungen, unvoreingenommen, aber mit aller Deutlichkeit auch die persönliche Entwicklung des Autors nachzuzeichnen.

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2003

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