Ärztliche Entscheidungsprozesse des Krankenhauses im Spannungsfeld von System- und Zweckrationalität
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Wir sind es gewohnt, Entscheidungen mit einer Person zu verbinden, um dieser dann nachvollziehbare Motive als Gründe für das beobachtete Handeln zuzurechnen. Vom Arzt erwarten wir natürlich, dass er heilen und helfen möchte und darüber hinaus, dass seine Behandlungsentscheidungen durch medizinisches Wissen begründet sind. Gelegentlich unterstellen wir ihm auch andere Motive, etwa ökonomischer Art. Aber stellt sich die Sache wirklich so einfach dar? Über den Vergleich der unterschiedlichen Bearbeitungsformen auf verschiedenen Stationen (Chirurgie, Innere Medizin, Psychosomatik) ergeben sich bezüglich dieser Fragen Hinweise zu einer differenzierteren Typik, in der die jeweiligen Bewältigungsformen in Beziehung zum spezifischen Behandlungssetting gesetzt werden können. Entgegen dem in den ökonomischen und sozialwissenschaftlichen Diskursen häufig verwendeten Modell des „Rational-Choice” zeigt sich entsprechend Luhmanns These von „Entscheidung als Reaktion auf eine gerichtete Erwartung”, dass auch medizinische Entscheidungen weitaus mehr als allgemein angenommen „soziale Konstruktionen” darstellen. Diese Studie ist zugleich zwei Disziplinen verpflichtet: der Medizin und der Soziologie. Gleich den Kippbildern der Gestaltpsychologie tritt mal das eine und mal das andere in den Vordergrund. In weiten Teilen dieser Untersuchung erscheint es so, als ob die Soziologie hier die methodologische Hilfswissenschaft darstellt, zu einem Mittel wird, um die Bedingungen und Verhältnisse im Krankenhaus besser verstehen zu können. Demgegenüber erscheinen die Geschehnisse im Krankenhaus in anderen Teilen der Arbeit ihrerseits als Mittel zum Zweck, nämlich als Beispiel für komplexe Arbeitsabläufe, an denen die sozialen Bedingungen menschlichen Entscheidens in Organisationen untersucht werden können. Das Krankenhaus liefert hier die empirische Fundierung der eher theoretisch angelegten Fragen einer „Soziologie des Entscheidens“.