Storno und Profitabilität in der Privathaftpflichtversicherung
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Seit der Deregulierung in den 1990er Jahren unterliegt die Versicherungsbranche einem intensiver werdenden Wettbewerb. Mit der sich verschärfenden Konkurrenz im Wettstreit um die Kunden geht zugleich ein verändertes Kundenverhalten einher. Ein höherer Informationsgrad und eine abnehmende Loyalität gegenüber dem Versicherungsunternehmen bewirken, dass abwandernde Kunden nicht in gleichem Umfang wieder ersetzt werden können. Üblicherweise haben Versicherungsunternehmen jedoch ein Interesse am Aufbau von lang anhaltenden Kundenbeziehungen, so dass abwanderungsgefährdete Kunden im Rahmen einer Stornoanalyse zu identifizieren sind. Trotz ihrer großen Bedeutung ist die Modellierung von Kundenabwanderung in vielen Versicherungsunternehmen noch nicht sehr weit fortgeschritten, und auch branchenspezifische wissenschaftliche Veröffentlichungen zu diesem Thema gibt es derzeit eher wenige. Diese Untersuchung des Vertragsstornos wird in der vorliegenden Arbeit um den Aspekt der Profitabilität des Vertrags ergänzt. Da Kundenbeziehungen – insbesondere in der Versicherungsbranche – erst mit fortschreitender Dauer Gewinn bringend für das Unternehmen sind, besteht eine ausgeprägte Abhängigkeit zwischen der Abwanderungsrate und der Profitabilität von Versicherungsverträgen. Exemplarisch wird der sozial bedeutsame Zweig der Privathaftpflichtversicherung betrachtet. Im Rahmen der Analysen kommt die aufgrund ihres Modellaufbaus sehr flexible Klasse der verallgemeinerten linearen Modelle zum Einsatz. Im theoretischen Teil der Arbeit werden einerseits die Spezifika der Privathaftpflicht-versicherung dargestellt. Andererseits wird auf die Problematik des Auffindens einer adäquaten Profitabilitätsgröße hingewiesen, indem insbesondere der Begriff des Kundeswerts vorgestellt und auf die damit verbundenen Probleme kurz eingegangen wird. Als methodisch-statistische Grundlagen werden sowohl univariate als auch bivariate verallgemeinerte lineare Modelle eingehend dargestellt. Dabei beschränken sich die Ausführungen hinsichtlich der bivariaten Modelle auf den Fall zweier binärer endogener Variablen. Hierunter lassen sich auch bivariate Logit- und Probit-Modelle subsumieren, welche in der medizinischen Statistik erfolgreich angewendet werden. Im empirischen Teil wird zur Beschreibung der Stornogefährdung ein logistisches Regressionsmodell implementiert. Auf dem Weg zur Ermittlung der vertragsindividuellen Profitabilität wird auf Basis von bekannten Vorgehensweisen (Kruse (1997) und Walter (1998)) ein Modell für den Schadenbedarf umgesetzt. Untersuchungsgegenstand der bivariaten Modellierung ist die Abhängigkeitsstruktur zwischen der Kündigung und der Profitabilitätseigenschaft eines Privathaftpflichtvertrags. Mit Hilfe des bivariaten Ansatzes gelingt es, Kundensegmente zu identifizieren, in denen eine möglicherweise nicht risikogerechte Tarifierung vorliegt. Der Anhang enthält Ergänzungen zu mathematischen und statistischen Grundlagen sowie die exemplarische Bearbeitung eines in der einschlägigen Literatur bekannten Datensatzes von Ashford und Sowden (1970) über Atemwegsbeschwerden von britischen Kohlegrubenarbeitern.