Artur Schnabel und die Grundfragen musikalischer Interpretationspraxis
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Die vorliegende Untersuchung setzt sich mit den Grundfragen der Interpretation instrumentaler Werke aus dem Repertoire-Bereich von Bach bis Schönberg auseinander. In ihrem Zentrum steht die Lehre Artur Schnabels, des führenden Repräsentanten der ‘deutschen Schule’ der Klavierinterpretation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ausgehend von seiner Kernforderung der Schaffung einer ‘gesanglichen Einheit’ bei der klanglichen Werkrealisierung, wird der gesamte interpretationspraktische Kosmos erschlossen: In einer Gratwanderung zwischen Theorie und Praxis werden das vorrangige Ziel der Interpretentätigkeit sowie die Realisierungsregeln dieses Ziels definiert und mit Hilfe eines Strukturmodells musikalischer Form detailliert veranschaulicht. Es ergeben sich Einsichten in die systemische Funktionsweise dieses Modells. Zugleich steht der Wert von Schnabels Lehre für die Interpretation allgemein auf dem Prüfstand. Dies ist die Frage nach dem Fortbestand einer tradierten Konvention, die auf der Übereinstimmung mit dem Lehrgut der Vorgänger beruht. Die Aussicht, in Schnabel einen Traditionsträger ersten Ranges vorzufinden, wird dadurch begünstigt, daß er das letzte Glied einer prominenten Überlieferungskette darstellt, deren schriftliche Zeugnisse bis zu Johann Sebastian Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel zurückreichen: Nach seinem Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen unterrichtete Ludwig van Beethoven Carl Czerny, dessen Lehre ebenfalls schriftlich festgehalten ist. Von Czerny wurde später Theodor Leschetizky unterwiesen, bei dem wiederum Schnabel seine Ausbildung erhielt. Die in dieser Arbeit erstmals ausgewerteten Details aus Schnabels Lehrtätigkeit sind indessen in einem Buch seines Schülers Konrad Wolff dokumentiert. Auf diese Weise schließt sich eine mehr als zwei Jahrhunderte umfassende Zeitklammer.