Autonomie und Fremdtötung
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Die Sterbehilfe hat seit ihrer „Erfindung„ am Ende des 19. Jahrhunderts ein doppeltes Gesicht: Zum einen soll sie dem Einzelnen die Kontrolle über das Sterbegeschehen und den Todeszeitpunkt geben. Zum anderen bietet sie der Gesellschaft die Möglichkeit einer „biologischen Politik“ (Schallmayer): Es geht im Sterbehilfediskurs von Beginn an um politische Ökonomie, beispielsweise um Ressourcenpolitik im Gesundheitssystem - das ist ein zentraler Befund des Buches. Ökonomen und Biologen waren die ersten, die ein „Recht„ auf Sterbehilfe propagierten - im Kontext einer sozialhygienschen Bewegung, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Wissenschaft und Gesellschaft, aber auch die Politik quer durch alle politischen Lager erfasste. Das „Doppelgesicht“ der Sterbehilfe hat sich bis heute nicht verändert. Das Buch zeigt: Wo die „Freiheit„ des Einzelnen propagiert wird, fremde Hilfe für die eigene Sterbekontrolle in Anspruch zu nehmen, sind auch Überlegungen zur Bevölkerungsentwicklung, zu Budgetbelastungen durch Altersdemente oder psychisch Kranke nicht weit. In der Praxis stimmen die organisierten Interessen lebensmüder Individuen, die nicht selbst Hand an sich legen wollen, mit den Zielen moderner Verfechter einer „biologischen Politik“ überein. Das macht die Sterbehilfe heute wieder zunehmend zu einer wirksamen Sozialtechnologie.