Intervention und Kernwaffen
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Während des Kalten Krieges und auch nach seinem Ende galt der Einsatz von Kernwaffen als Tabu. Es war eine ungeschriebene Norm, dass sie lediglich der Abschreckung zwischen den Supermächten dienten. Durch den Entwurf einer neuen Nuklearstrategie („Doctrine for Joint Nuclear Operations“) der Vereinigten Staaten, der erstmals im März 2005 auf der Internet-Seite des Pentagons öffentlich wurde, steht ein Bruch des nuklearen Tabus bevor, gegen den sich bislang nur der US-Kongress offen ausgesprochen hat. Eine Anpassung der Nuklearstrategie an die neue Verteidigungs- und Sicherheitsstrategie der Bush-Regierung, die Terrorismus und „Schurkenstaaten“ sowie die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen zur größten Bedrohung für die amerikanische Sicherheit erklärte, war notwendig geworden. Ergebnisse des Überprüfungsprozesses wurden im Entwurf zur neuen Nuklearstrategie zusammengefasst. Die Strategie sieht unter anderem vor, gegen transnationalen Terrorismus, „Schurkenstaaten“ sowie die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen durch diese an Terroristen auch militärisch unilateral sowie präventiv und präemptiv vorzugehen. Als potenzielle Ziele für einen Nuklearwaffeneinsatz werden nichtstaatliche, terroristische und kriminelle Organisationen, eine hoch gegriffene Zahl von etwa 30 Staaten mit Massenvernichtungswaffen sowie „regionale Staaten“ – gemeint sind „Schurkenstaaten“ – beschrieben. Der Einsatz von Kernwaffen kann sogar im Rahmen multilateraler Interventionen der NATO erfolgen. Harald Müller und Stephanie Sohnius analysieren die Bedeutung von Kernwaffen in der Interventionspolitik der USA vom Kalten Krieg bis heute, um die Brüche und Kontinuitäten im Denken über Kernwaffeneinsätze in Interventionen aufzuzeigen und die Besonderheit der neuen Nuklearstrategie im historischen Kontext aufzuarbeiten. Harald Müller und Stephanie Sohnius beleuchten die Konsequenzen der im Entwurf zur neuen Nuklearstrategie vorgesehenen nahtlosen Integration von nuklearen in konventionelle Strategien und der zuvor nie da gewesenen Ausweitung der nuklearen Einsatzszenarien. Sie werfen dabei einen Blick auf die Folgen für den Nichtverbreitungsvertrag (NVV), die Gefahren für die Stabilität der Weltsicherheit sowie die gravierenden völkerrechtlichen Probleme. Sie fordern insbesondere Deutschland als Bündnispartner der USA auf, sich in einer Diskussion gegen den Einsatz von Kernwaffen im Rahmen von NATO-Missionen zu engagieren.