Etablierung organisierter Reflexionen in der Schule
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Die deutsche Schule befindet sich in einer (Legitimations- )Krise. Die Aufgaben, die die Gesellschaft an die Schule stellt - Reproduktion der Gesellschaft und die Bildung des Einzelnen - widersprechen sich, dennoch sind sie gleichzeitig in einem Syntheseprozess zu erfüllen. Kann systematische Schulentwicklung einen Prozess initiieren, durch den die Schule ihre gesellschaftliche Legitimation zurückgewinnt? Kann es eine Synthese bzw. Integration geben, in der - anders als aktuell - dem Subjektbezug gegenüber dem Systembezug Vorrang gegeben wird? Bisher gibt auf es beide Fragen weder in der Praxis noch in der Theorie eine zufrieden stellende Antwort. Das Buch beleuchtet die erste Frage anhand einer empirischen Untersuchung und zeigt Perspektiven für die zweite Frage auf. Schulentwicklung ist, wie die Schule auch, ein konstitutiver Syntheseprozess von System- und Subjektbezug. In der aktuell vorherrschenden Synthese wird dem Systembezug Vorrang vor dem Subjektbezug gegeben. Dies hat restaurative Veränderungen zur Folge, d. h. kurzfristige und oberflächliche Entwicklungen sind bei gleich bleibender Grundstruktur zu erkennen. Reformerische Entwicklungen von Schule beinhalten hingegen eine Vorrangstellung des Subjektbezugs im Syntheseprozess. Letztgenannter ist langwierig, da er aufgrund seiner engen Verbindung zum demokratischen Verständnis der Gesellschaft, auf flankierende Maßnahmen ihrerseits angewiesen ist. Ein Jahr lang wurde ein Schulentwicklungsprozess begleitet, der im Rahmen einer größeren Forschungseinheit mit dem Schulentwicklungskonzept Pädagogischer Schulentwicklung und der Methode Feedback durchgeführt wurde. Das dem Forschungszusammenhang zugrundeliegende Schulentwicklungskonzept erhebt den Anspruch, die Perspektiven der Subjekte zum Ausgangspunkt schulischer, hier insbesondere unterrichtlicher, Entwicklungen zu nehmen. Mithilfe von Feedback- Instrumenten werden Gespräche über Unterricht von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern strukturiert. Die qualitative Auswertung des erhobenen Datenmaterials zeigt jedoch, dass mithilfe des schulischen Entwicklungskonzepts zwar Strukturen geschaffen wurden, über Unterricht zu kommunizieren und zu reflektieren, in diesen jedoch dem Systembezug der Vorrang gegeben wird. Dies gilt für die Lehrkräfte untereinander - und ebenso für die Schülerinnen und Schüler. Die Konsequenzen des strukturellen Zielkonflikts der Schule werden auf allen Ebenen individualisiert und personalisiert „gelöst“ und dabei der systembezogenen Sichtweise der Vorrang gegeben. Einer systembezogenen Sichtweise wird Vorrang gegeben. Damit gehen Risiken für diverse schulische, erziehungswissenschaftliche, pädagogische und gesellschaftliche Bereiche einher. Mit den Risiken der Individualisierung und Personalisierung schulischer Widersprüche, der naiven Legitimation des Bestehenden und der Enttäuschung der beteiligten Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler sind nur einige genannt. Der bestehende Modernisierungsrückstand der Institution wird damit nicht verkleinert, sondern vergrößert und zementiert. Mit einem anderen Verständnis und unter Berücksichtigung bzw. Bewusstwerdung der Widersprüche schulischer Prozesse, anstatt deren Negierung, können solche Risiken vermindert werden. Diese Perspektive braucht, wie die Autorin deutlich macht, einen erweiterten gesellschaftlichen Bezug.