Aufess-Systeme
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Selten sind sich Leser wie Nichtleser eines Autors in ihrem Geschmacksurteil so einig wie im Falle Jean Pauls: Der Metaphern und Vergleiche auftürmende „Doppelstil“-Virtuose gilt selbst in der wohlwollenden Fachwelt als schwer verdaulich, wenngleich als in seiner medialen Gefräßigkeit auch wieder als modern. Die vorliegende Studie nimmt die kulinarisierenden Reflexe, die schon Jean Pauls Zeitgenossen äußern, beim Wort. Hat Jean Paul ein Aroma? Und wer garantiert, daß in einer lange aufbewahrten Buch-Konserve nicht ein kannibalistisches Mahl lauert? Mit diesem Buch liegt erstmals eine auf das Gesamtwerk bezogene, systematische Darstellung vor, die das kulinarische Motivfeld nicht bloß als Maßstab von Leibfeindlichkeit oder lukullischer Literarizität begreift, sondern in den Texten selbst als Konstituens zeichentheoretischer Reflexion rekonstruiert. Denn die Analogie von Lesen und Essen nimmt im Jean Paulschen Werk nicht nur einen verblüffend großen Raum ein; sie wird auch zum diskursiven Knotenpunkt zentraler poetischer Selbstverortungen. Mit seiner Problematisierung der „Hybris“ als einer auf den überfüllten Magen rückführbaren Überfrachtung des Zeichens (und des Subjekts) mit Bedeutung erweist sich dabei der Komet als Parodie und Überbietung des Gesamtwerks, das von der Einverleibung eigener und fremder Texte ebenso geprägt ist wie von einer dualistischen Metaphysik, deren Überwindung dem Medium Buch trotz aller Zweifel aufgegeben bleibt: ein ständiger Grenzgang, bei dem die Nahrungsaufnahme in ihrer kreatürlichen Unhintergehbarkeit, ihrer Ambivalenz zwischen Tilgung und Bewahrung und im Kontext neuer Techniken der Ernährung autopoetisch überformt wird. Diese Poetik des Verzehrs hat freilich ihre Tücken: Mit und gegen Jean Paul gelesen, erweist sich auch der (wissenschaftliche) Lesakt als Teil eines kannibalistischen Systems, das am zwiespältigen Aufheben eines Autors Anteil hat.